Auszug aus einem Meinungsartikel von Rechtsanwalt Stephan Bernard (Zürich), erschienen in der “NZZ am Sonntag” vom 1.2.2020 (Link zum Artikel):
“Unser Land komme dem Ideal eines Rechtsstaates nahe – glauben wir. Doch wer ohne Geld und Einfluss ist, hat es auch hier sehr schwer, zu seinem Recht zu kommen.
Aus dem Gefängnis heraus lässt sich kaum kundige Hilfe organisieren, zumal es nur wenige Anwältinnen gibt, die im Strafvollzugsrecht spezialisiert sind: Die einschlägigen rechtlichen Grundlagen sind ein schwer durchschaubares Konglomerat aus Konkordaten, kantonalen Erlassen und Hausordnungen; der Anwalt bleibt meist unbezahlt, da die Betroffenen kein Geld haben, und ihnen die unentgeltliche Rechtspflege vielfach verweigert wird.
Befindet sich der Gefangene in einer stationären psychiatrischen Massnahme, ist seine Ausgangslage noch prekärer. (…)
Ganz ähnlich ist das Problem für Leute, die auf Sozialhilfe angewiesen sind: Diese haben grundsätzlich keine Mittel, um einen Anwalt zu zahlen, und ein unentgeltlicher Rechtsbeistand wird selten gewährt. Überrascht es da irgendjemanden, dass es kaum Advokaturen gibt, die sich dem Sozialhilferecht verschreiben? Kundige Rechtsberatung lässt sich hier nicht marktförmig organisieren. Und die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht, die da unentgeltlich Rechtshilfe gewährleistet, ist ständig überlastet; die von ihr veröffentlichten Zahlen und Fallvignetten zeigen jedenfalls eindrücklich, dass gerade in diesem Rechtsgebiet oft krass rechtswidrig entschieden wird. (…)
Der Ausnahmezustand für Marginalisierte ist somit auch in den liberalen Rechtsstaat systemisch eingeschrieben; der Rechtsschutz versagt just dort, wo es besonders auf ihn ankäme.”
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Siehe hierzu auch den “Schwerpunkt Zugang zur Justiz” des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR). Link dazu.
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