Die Zahlen über die Landesverweisungen und die Anwendung der Härtefallklausel, die das Bundesamt für Statistik publizierte, führen zu einer neuen politischen Auseinandersetzung über die Härtefallklausel. Die SVP zieht in Betracht, deren Abschaffung zu verlangen, allenfalls mit einer Volksinitiative. Reaktionen von Politikerinnen und Politikern ausserhalb der SVP lassen Forderungen erwarten, sie wenn nicht abzuschaffen, so doch einschränkend zu revidieren. Der Verein «Unser Recht» setzt sich dafür ein, dass die Anwendung der Härtefallklausel sowohl grundsätzlich als auch praxisbezogen geführt wird. Vorab ist der Wortlaut der Härtefallklausel in Artikel 66a Absätze 2 und 3 des Strafgesetzbuches in Erinnerung zu rufen: 2 Das Gericht kann…
In der Auseinandersetzung über die Konzernverantwortungsinitiative, die am 29. November 2020 zur Abstimmung kommt, wird der Vergleich mit in Kraft stehenden und vorgeschlagenen Regelungen anderer Länder sowie der Europäischen Union eine Rolle spielen. Hierzu weisen wir zunächst aktuell auf einen Bericht des Korrespondenten der NZZ-Wirtschaftsredaktion in Berlin, René Höltschi, hin: “Deutschland auf Schweizer Spuren: Das geplante Lieferketten-Gesetz erhitzt die Gemüter” (Link zum Artikel). In Deutschland wie in der Schweiz wird die Auseinandersetzung nicht als Grabenkampf zwischen Links und Rechts geführt: Der deutsche Entwicklungsminister, der die Gesetzesvorlage mitträgt, gehört der CSU an. Und ebenso wie in der Schweiz, wird der Widerstand…
Continue readingAm 19.6.2020 wiesen wir auf die Kritik von Daniel Maritz, Präsident des Zürcher Anwaltsverbands, und Lionel Halpérin, Alt-Präsident des Genfer Anwaltsverbands, am Projekt zur Revision der Strafprozessordnung hin (Link). Unter dem Titel “Revision der Strafprozessordnung verbessert Aufklärung von Delikten” hat nun Beat Oppliger, Leitender Oberstaatsanwalt des Kantons Zürich und Präsident der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz, am 6.7.2020 in der NZZ repliziert (Link).
Continue readingIn einem Appell, der am 1.7.2020 in der Schweizerischen Ärztezeitung veröffentlicht wurde (Link deutsch, français), ersuchen Medizin-Ethikerinnen und -Ethiker der Schweiz die Leitungspersonen von Einrichtungen und Organisationen sowie die Gesundheitsbehörden, im Sinne von «Lessons to be learned» die folgenden zehn Postulate umzusetzen, auch mit Blick auf eine erneute Pandemiewelle: 1. Die verfassungsmässig garantierten Freiheitsrechte der Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen der Langzeitpflege müssen vollumfänglich gewährleistet sein unter Einhaltung der für die Bevölkerung empfohlenen Schutzstandards und unter Vorlage entsprechender Schutzkonzepte. 2. Engen Angehörigen und Bezugspersonen sowie gesetzlichen Vertretungspersonen und Beiständen ist der Zugang zu urteilsunfähigen Personen zu gewähren unter Beachtung der allgemein geltenden…
Continue readingAnna Coninx, Assistenzprofessorin für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Luzern und Vorstandsmitglied von “Unser Recht”, setzt sich für eine Revision des Sexualstrafrechts ein, die den Willen der Frau, ihre sexuelle Selbstbestimmung, stärker schützt. In einem Artikel, der am 15.6.2020 im Wissensmagazin “cogito” der Universität Luzern erschien (Link zum Artikel), schreibt sie: “(…) Unser Sexualstrafrecht gründet auf der Idee der sexuellen Selbstbestimmung: Jede Person soll selbst bestimmen können, mit wem und wann sie sexuelle Handlungen vornimmt. Das Sexualstrafrecht soll also Menschen, die nicht in einen Sexualkontakt involviert werden wollen, schützen. Geschlechtsverkehr, den nicht beide Sexualpartner wollen, wird heute aber nur dann als schweres…
Continue readingWie weiter nach dem Scheitern der Revision des Bunsdesgerichtsgesetzes? Alain Griffel, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Zürich, warnt vor einer erneuten einseitigen Fokussierung auf das Bundesgericht und auf dessen Entlastung. Auszug: “(…) Die Funktion eines mehrstufigen Instanzenzuges besteht nicht einfach darin, dass die nächsthöhere Instanz nochmals das Gleiche tut bzw. prüft wie die untere; die «oberen» Richter sind denn auch nicht notwendigerweise klüger als die «unteren». Vielmehr kommt dem Instanzenzug eine Art Filterfunktion zu: Die unteren Rechtsmittelinstanzen haben den zumeist unklaren oder umstrittenen Sachverhalt zu klären, gegebenenfalls unter Umständen zahlreiche Rechtsfragen zu eruieren und zu beurteilen und…
Continue readingDas Bundesamt für Statistik hat vervollständigten Informationen über Landesverweisungen und Härtefälle publiziert. Aus der Medienmitteilung: “Im Jahr 2019 wurden 1980 Verurteilungen mit einer Landesverweisung ausgesprochen. In den allermeisten Fällen (90%) handelte es sich um eine obligatorische Landesverweisung. D.h. die ausländische Person wurde aufgrund einer Straftat verurteilt, bei der gemäss Art. 66a StGB eine Landesverweisung verhängt werden muss (Katalogstraftat). 11% der betroffenen Personen hatten einen B- oder C- Ausweis. Neu konnte das BFS über alle in Art. 66a StGB aufgeführten Straftaten berechnen, wie häufig bei der Verurteilung von ausländischen Personen aufgrund einer dieser Katalogstraftaten eine obligatorische Landesverweisung effektiv ausgesprochen wurde. Bisher…
Continue reading“Wer Urteilssprüche von Schweizer Gerichten sucht, muss oft verschiedene Stellen angehen. Vor allem auf kantonaler Ebene sei vieles nur schwer zugänglich resp. gar nicht publiziert. Um eine Plattform aufzubauen, welche Gerichtsurteile sammelt, hat sich der Verein entscheidsuche.ch gebildet. Entscheidsuche.ch will Gerichtsurteile von allen Schweizer Instanzen online zugänglich machen, bequem über eine Suchmaske. «Urteile können ihre Wirkung im Rechtsstaat nur dann entfalten, wenn sie bekannt sind. Bekannt ist ein Urteil nach unserer Auffassung dann, wenn es der Öffentlichkeit zur Verfügung steht» so der Verein.” Mehr dazu in einem Interview des Berner Lokalradios RABE mit Daniel Hürlimann, Assistenzprofessor für Informationsrecht an der…
Continue reading“Die derzeit diskutierte Teilrevision der Strafprozessordnung vergrössert das bereits bestehende Machtgefälle zwischen Strafverfolgung und Verteidigung – dies ohne sachliche Notwendigkeit.” Dagegen wenden sich Daniel Maritz, Präsident des Zürcher Anwaltsverbands, und Lionel Halpérin, Alt-Präsident des Genfer Anwaltsverbands, in der NZZ unter dem Titel “Mogelpackung Revision der Strafprozessordnung” (Link zum Artikel, erschienen am 17.6.2020). Auszug: “(…) Die gravierendste Änderung des Revisionsprojektes betrifft das Teilnahmerecht. Heute haben die beschuldigte Person und ihre Verteidigung praktisch während des ganzen Untersuchungsverfahrens das Recht, an Beweiserhebungen teilzunehmen. Eine beschuldigte Person darf bei Befragungen von Mitbeschuldigten oder Zeugen anwesend sein und sich allfällige Belastungen im Originalton anhören. Sie kann…
Continue readingMit Blick auf die laufende Antiterror-Gesetzgebung sei an einen Artikel von Loïc Parein erinnert: “La présomption de non-dangérosité en procédure pénale suisse: une consécration nécessaire”, erschienen in der Zeitschrift für Schweizerisches Recht 137 (2018) I Heft 3, S. 367 ff. Résumé: “Le droit des sanctions suisse est dit dualiste. Il permet le prononcé de peines ou de mesures. En principe, le juge doit avoir au préalable constaté la commission d’une infraction après avoir örenversé la présomption d’innocence. Il arrive que le juge soit également appelé, au même moment, à se prononcer su la dangerosité de l’auteur, soit le risque de…
Continue readingIm Hinblick auf eine zweite Welle, aber auch für andere ausserordentliche Lagen, die künftig eintreten könnten, muss aufgearbeitet werden, ob und wie die Grundrechte besser respektiert werden können und müssen. Ein wichtiger Bereich ist das Recht pflegebedürftiger Menschen auf psychische Gesundheit, soziale Kontakte und Rechtsschutz. Hierzu äusserte sich Prof. Franziska Sprecher, Zentrum für Gesundheitsrecht und Management im Gesundheitswesen der Universität Bern, in der SRF-2-Sendung “Kontext” vom 17.6.20 (Link zur Sendung). Mitschrift (Ulrich Gut): Heim ist nicht gleich Heim, Kanton ist nicht gleich Kanton. Aber die Grundrechte gelten überall. Das ist auch das Schwierige rückblickend. Es darf nicht sein, dass meine Grundrechtssituation…
Continue readingIn der Einigungskonferenz hat sich der Ständerat mit einem Gegenvorschlag durchgesetzt, der den Initiantinnen und Initianten der Konzernverantwortungsinitiative (KOVI) nicht genügt für einen Rückzug der Initiative. Diese kommt somit zur Abstimmung. Link zum Initiativtext mit Erklärungen. Bericht von Keystone-SDA, verbreitet durch die Parlamentsdienste: “Die Konzernverantwortungsinitiative kommt mit einem indirekten Gegenvorschlag an die Urne. Der Ständerat hat am Dienstag sein eigenes und von der Einigungskonferenz beantragtes Konzept dafür gutgeheissen, mit 28 zu 14 Stimmen und 2 Enthaltungen. Die Nein-Stimmen kamen von Vertretern der SP und der Grünen sowie aus der Mitte-Fraktion. Der Nationalrat, der zunächst einen schärfer formulierten Gegenvorschlag bevorzugte, hatte…
Continue reading