Gedanken zu einem Leserbrief als Vorboten.

Einen Vorgeschmack für die bevorstehende Auseinandersetzung um die Weitergeltung der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) in der Schweiz gibt der Leserbrief, mit dem Hans-Peter Opferkuch (Forch) auf einen Artikel Jörg Paul Müllers und Daniel Thürers über Landesrecht und Völkerrecht (NZZ 10.2.15) reagiert:

 “(…) Die Professoren hätten sich die vorgängigen 121 Zeilen sparen und dafür die teilweise abstrusen Urteile, welche der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gegenüber der Schweiz gefällt hat, kommentieren können. Diese empörenden, die schweizerische Gesetzgebung krass missachtenden Urteile lassen doch die Seele der meisten Mitbürger kochen, weil sie in ihrem Inhalt die Schweiz als rückständig anprangern, als Unrechtsstaat. Dies ist wohl der Grund, weshalb die SVP ihre Initiative lanciert hat.”

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So versteht also eine (NZZ-Leserbrief-fähige!) SVP-Wählerbasis die Volksinitiative, deren Redaktor erklärte, sie führe zur Kündigung der EMRK, die er aber in Interviews bei seiner Nomination zum Ständeratskandidaten verharmloste. Für ihn ist jetzt Spagat angesagt: Leute, deren “Seele kocht”, zu mobilisieren – aber bürgerliche Wählerinnen und Wähler nicht abzustossen.

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Herrn Opferkuchs Leserbrief bestärkt die Überzeugung, dass viel mehr Energie und publizistisches Können in die Kommunikation der Begründung und der Hintergründe von EGMR-Urteilen investiert werden muss. Die Urteile sind meist viel besser, als sie hingestellt werden. Ein Problem besteht darin, dass “Strassburg” sie auf Französisch und Englisch publiziert, nicht aber auf Deutsch. Welche Deutschschweizer Redaktion verfügt schon im tagesaktuellen Dienst über Kapazität, sich mit einem fremdsprachigen Urteil auseinanderzusetzen? Aber die Skandalisierung ist anderntags im Boulevardblatt.

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