Parlamentarische Initiative Heinz Brand (SVP, GR) will Pflicht zur Beachtung des Völkerrechts abschaffen.

Die Staatspolitische Kommission des Nationalrats beschloss, wie gemeldet, eine Gesetzesgrundlage für völkerrechtswidrige Ausschaffungen zu erlassen.

Sie will damit einer Abstimmung über die SVP-Durchsetzungsinitiative aus dem Weg gehen. Tatsächlich bewirkt sie aber, dass die „Landesrecht-vor-Völkerrecht“-Vorstösse, die als Volkinitiative in Planung, als parlamentarische Initiative (von Heinz Brand, SVP, GR) bereits eingereicht sind, zu Durchsetzungsinitiativen mutieren.

Wenn ein Bundesgesetz völkerrechtswidrige Ausschaffungen zulässt, können diese nur noch durch das Bundesgericht und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg aufgehoben werden. Genau hier setzt die Parlamentarische Initiative Brand an:

Sie verlangt die Streichung von Art. 5 Abs. 4 BV, der heute lautet: “Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.”

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Art 5 Abs. 1 der BV soll nach Parlamentarischer Initiative Brand lauten:

„Grundlage und Schranke staatlichen Handelns ist das Recht. Die Bundesverfassung ist die oberste Rechtsquelle der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

Sie steht über dem Völkerrecht und geht ihm vor, unter Vorbehalt der zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts.

Mit ihrer, gegenüber Bundesgericht und EGMR nach geltendem Verfassungsrecht nicht durchsetzbaren Haltung, dass Volk und Stände mit Annahme der Ausschaffungsinitiative auch die verfassungsmässige Pflicht zur Beachtung des Völkerrechts in diesem Bereich aufgehoben hätten, spielt die Mehrheit der SPK-N Nationalrat Brand und der SVP ein das Argument in die Hände, zur Durchsetzung menschenrechtswidriger Ausschaffungen brauche es eine direkt gegen die Geltung des Völkerrechts gerichtete Verfassungsänderung.

Nun wird in bester Absicht überlegt, gegen das Ausschaffungsgesetz das Referendum zu ergreifen. Wenn sich daran Nationalräte beteiligen sollten, die dem Gesetz bereits einmal zugestimmt haben, wird ihre Kehrtwende in der Öffentlichkeit nicht verstanden, leider wohl gar verächtlich gemacht werden. Alle Argumente, die sie in Kommission und Rat für das menschenrechtswidrige Gesetz vorgebracht hatten, würden ihnen entgegengehalten. Faktisch würde somit die Last des Referendums wiederum allein den humanitären, menschenrechtlichen und entwicklungspolitischen Organisationen sowie den linken und grünen Parteien aufgebürdet. Eine Nein-Parole einer bürgerlichen Partei ist im herrschenden migrationspolitischen Klima leider schwer vorstellbar.

So ist eine gewisse Hoffnungen nun wohl nur noch darin zu setzen, dass, wenn nicht das Nationalratsplenum, so doch die Ständeratskommission und der Ständerat die Verfassungskrise, die durch die Annahme der Ausschaffungsinitiative eingetreten ist, in ihrer vollen Tragweite erfassen und die Pflicht zur Beachtung des Völkerrechts gemäss Art. 5 Abs. 4 der Bundesverfassung respektieren.

Volk und Stände werden das letzte Wort haben. Wenn sie eine Abkehr unseres Landes von der Europäischen Menschenrechtskonvention und den folgenden Austritt aus dem Europarat wirklich und nach reiflicher Überlegung wollen, kann sie kein Gericht und keine Behörde daran hindern. Aber eine „zweite Lesung“ der völkerrechtswidrigen Ausschaffungen, im Verfahren einer Abstimmung über die Durchsetzungsinitiative, ist allen Beteiligten, auch den Stimmberechtigten, als Beitrag zur Lageklärung und Krisenbewältigung zumutbar. Sie ist auf jeden Fall besser als das Abschieben der vollen Verantwortung von der Legislative an die Justiz, mit der Folge einer Volksabstimmung über eine Initiative gegen die Geltung des Völkerrechts.

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