Die neuerliche Drohung der SVP mit ihrer Durchsetzungsinitiative stösst ins Leere.

Für Mittwoch, 11. März 2015, ist im Nationalrat die Differenzbereinigung mit dem Ständerat über die Umsetzung der Ausschaffungsinitiative geplant.

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Im Mittelpunkt wird die Härtefallklausel stehen, die der Ständerat einführte, um das Verhältnismässigkeitsprinzip der Bundesverfassung und die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) auch bei Ausweisungen und Ausschaffungen wenigstens teilweise in Geltung zu belassen. Der Nationalrat hatte grundsätzlich die Durchsetzungsinitiative zum Gesetz machen wollen, aber einen Antrag abgelehnt, der dem Bundesgericht die Anwendung der EMRK ausdrücklich verboten hätte. Somit wäre die Verantwortung, zwischen „wortgetreuer“ und EMRK-konformer Umsetzung zu entscheiden, an das Bundesgericht abgeschoben worden, was der Ständerat zu Recht für staatspolitisch falsch hält.

Die SVP droht nun erneut mit der Durchsetzungsinitiative:

„In dieser Session wird sich entscheiden, ob die im November 2010 von Volk und Ständen angenommene Verfassungsbestimmung zur Ausschaffung krimineller Ausländer umgesetzt wird. Verweigert das Parlament eine Umsetzung und schwenkt auf das untaugliche Konzept des Ständerates ein, welches sich mit einer „Härtefallklausel“ am seinerzeit vom Volk und allen Ständen abgelehnten Gegenentwurf zur Initiative orientiert, muss das Volk das Heft in die Hand nehmen. Es hat die Gelegenheit, mit der von der SVP eingereichten Durchsetzungsinitiative die Umsetzung des Volkswillens sicherzustellen. Nun müssen insbesondere FDP und CVP Farbe bekennen, wie ernst es ihnen mit der Sicherheit der Bevölkerung in Tat und Wahrheit ist.“

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Kommentar:

Die Drohung der SVP stösst ins Leere, weil nichts dagegen spricht, dass die Durchsetzungsinitiative zur Abstimmung kommt. Es ist staatspolitisch richtig, dass Volk und Stände präzis und explizit dazu Stellung nehmen können, ob das Verhältnismässigkeitsprinzip bei Ausschaffungen restlos abgeschafft und zugleich die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) in diesem Bereich faktisch ausser Kraft gesetzt wird. Die Härtefallklausel setzt dem Abbau der Grundrechte Grenzen. Das ist eine zweite Verfassungsabstimmung wert.

Durchsetzungsinitiativen zum Gesetz zu machen, ohne dass über sie abgestimmt wurde, wäre grundsätzlich falsch. Damit würden die Initianten zu einer extrakonstitutionellen, verfassungswidrigen Staatsgewalt. Durch die direkte Umwandlung einer Durchsetzungsinitiative in ein Gesetz würde das Parlament seine verfassungsmässige Pflicht zur Gesetzgebungsarbeit missachten. Durchsetzungsinitiativen sollen die Bundesverfassung umgehen: Sie sollen die Gesetzesinitiative ersetzen, deren Aufnahme in die Bundesverfassung abgelehnt wurde. Die vorliegende Durchsetzungsinitiative wird deswegen wohl nicht ungültig erklärt. Aber keine Durchsetzungsinitiative hebt das Recht und die Pflicht der demokratisch gewählten Legislative zur Gesetzgebung auf. Die Staatspolitische Kommission des Ständerats hat das Verdienst, dies erkannt und entsprechend gehandelt zu haben. Der Ständerat folgte ihr.

Die Voraussetzungen dafür, dass diese Durchsetzungsinitiative durch Volk und Stände abgelehntwird, sind besser, als die SVP nun den Fraktionen von FDP/Liberalen und CVP nochmals einreden will. Die Abstimmung über die Ausschaffungsinitiative war gekennzeichnet durch einen Zweifrontenkampf der Befürworterinnen und Befürworter des Gegenvorschlags: Dieser wurde nicht nur durch die SVP, sondern auch durch Rot-Grün, Teile der Mitte sowie humanitäre und menschenrechtliche NGO’s bekämpft. Die Durchsetzungsinitiative hingegen wird von allen Parteien zur Ablehnung empfohlen werden, die sie im Parlament ablehnten, und zudem durch jene mitgliederstarken NGO’s, die den Gegenvorschlag zu versenken halfen. Damit ist nicht garantiert, dass sie abgelehnt wird. Aber der Kampf muss aufgenommen werden.

Ulrich E. Gut.

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