Eine Interpellationsantwort des Bundesrates und ein Open Call des Europarats-Lenkungsausschusses für Menschenrechte

In der Schweiz scheint ein Programm abzulaufen, das kaum mehr gestoppt werden kann und zur erklärten, systematischen Nichtbeachtung von Teilen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) und von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) führen wird: Der Nationalrat wird, einer grossen Mehrheit seiner Staatspolitischen Kommission folgenden, den Antrag des Bundesrates auf EMRK-konforme Umsetzung der Ausschaffungsinitiative ablehnen und eine Gesetzesgrundlage für EMRK-widrige Ausschaffungen erlassen. Es bleibt die Hoffnung, dass der Ständerat diesem Unterfangen entgegentritt, aber sie ist gering. Dann wird sich das Bundesgericht entscheiden müssen, ob es seinem Obiter Dictum verbunden bleibt, die EMRK kraft Gewaltentrennung – aber nunmehr in klarem Widerspruch zum neuen Gesetz – weiterhin anzuwenden. Fügt es sich dem Willen des Gesetzgebers, wird dies zu regelmässigen Verurteilungen der Schweiz durch den EGMR führen, und die Schweiz wird weder fähig noch gewillt sein, sich diesen Urteilen zu unterziehen.

Gleichzeitig wird es voraussichtlich zu einer neuen Verfassungsbestimmung über die Beziehungen zwischen Landesrecht und Völkerrecht kommen. Die SVP hat ihren wohl besten Mehrheitsbilder, den Bündner Nationalrat Hein Brand, mit einer Parlamentarischen Initiative für die Unterordnung des Völkerrechts unter das Landesrecht vorgeschickt. Wenn dieser Vorstoss unterstützt wird, erübrigt sich das gleichgerichtete Projekt der Blocher-Leute für eine Volksinitiative.

Wie weiter also mit der Beziehung der Schweiz zur EMRK und mit ihrer Stellung als Mitglied ihrer Trägerschaft, des Europarats? Nach verbreiteter Meinung gilt es zunächst, stärker darauf aufmerksam zu machen, dass sich die Schweiz aktiv an der Reform des europäischen Grundrechtsschutzes beteiligt. Dieser Reformprozess begann 2010 mit der Ministerkonferenz in Interlaken, die durch die Schweiz präsidiert wurde.

Hierzu sei auf zwei Dokumente hingewiesen:

Antwort des Bundesrates auf einen Vorstoss der Fraktion der FDP/Liberalen Fraktion (13.3779).

Mehr Informationen finden Sie hier.

Ein Kapitel einer Erklärung, die 2012 an der Ministerkonferenz in Brighton befasst sich mit der langfristigen Reform. Der Lenkungsausschuss für Menschenrechte (Comité directeur pour les droits de l’homme, CDDH) stellte einen open call auf seine Internetseite, mit dem die interessierten Kreise in den EMRK-Vertragsstaaten eingeladen werden, Vorschläge zur Reform des Kontrollsystems zu machen.

Mehr Informationen finden Sie hier.

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