In einem im “Tages-Anzeiger” (7.10.16, S. 13) erschienenen Artikel nimmt Alt-Bundesgerichtspräsident Giusep Nay zu den Vorwürfen Stellung, der Beschluss des Nationalrats, die Masseneinwanderungsinitiative sei durch einen “Inländervorrang light” umzusetzen, sei verfassungswidrig.

Auszug:

“Dass der neue Artikel 121a praktisch nicht umgesetzt wird, ist für sich allein betrachtet demokratisch gewiss äusserst unbefriedigend. Das Personenfreizügigkeitsabkommen (FZA) mit der EU ist jedoch ebenso demokratisch wie die MEI durch das Volk beschlossen worden.

Entscheidend kommt hinzu, dass Volk und Stände auch in die Bundesverfassung geschrieben haben: «Bund und Kantone beachten das Völkerrecht.» Demnach hat das FZA als völkerrechtlicher Vertrag Vorrang vor der Zuwanderungsinitiative, denn Verträge sind zu halten.

Die Initianten der MEI sahen das vor der Abstimmung gleich, indem sie in der Übergangsbestimmung zu dieser Volk und Stände nur vorschreiben liessen, der Initiative widersprechende völkerrechtliche Verträge seien neu zu verhandeln, nicht aber diese seien zu kündigen.

Der Nationalrat hat daher im Einklang mit unserer Verfassung entschieden, Artikel 121a nur so umzusetzen, dass die Personenfreizügigkeit mit der EU vertragsgemäss gewahrt bleibt. Und der Ständerat wird das verfassungsgemäss nicht anders tun können. Das Parlament hat bei Fragen der Verfassungsmässigkeit von Bundesgesetzen in der Schweiz eine ganz besondere Rolle und Verantwortung. Weil wir eine Verfassungsgerichtsbarkeit durch das Bundesgericht unmittelbar nach dem Erlass eines Bundesgesetzes – anders als bei kantonalen Gesetzen – nicht kennen, hat die Bundesversammlung anstelle des Bundesgerichts deren Verfassungsmässigkeit zu prüfen und zu wahren.”

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