Wenn heute die Durchsetzungsinitiative abgelehnt wird – und dies überraschend deutlich -, ist daran zu erinnern, wem das Verdienst daran zukommt, dass vor Landesverweisungen auch künftig die Einzelfälle beurteilt werden und ein Minimum an Verhältnismässigkeit gewahrt bleibt.
 
Dieses Verdienst kommt nicht nur denen zu, die sich an einer einzigartigen Kampagne beteiligten, sondern auch denen, die zuvor im Parlament verhinderten, dass die Durchsetzungsinitiative ins Strafgesetzbuch geschrieben wurde.
 
So lautete nämlich der Entscheid des Nationalrates nach der ersten Lesung. Es war die Staatspolitische Kommission des Ständerates unter dem Vorsitz Verena Dieners, die sich grundsätzliche Gedanken über diesen Entscheid machte und zum Schluss kam, dass er unhaltbar war. Deshalb fügte sie eine Härtefallklausel ein, und das Plenum des Ständerates folgte ihr mit grossem Mehr.
 
Ein grosser Dank geht sodann an die Nationalrätinnen und Nationalräte, welche vor allem die Fraktionen der FDP-Liberalen und der CVP davon überzeugten, in der zweiten Lesung dem Beschluss des Ständerat zuzustimmen. Diese Zustimmung erfolgte im Bewusstsein, dass die SVP in diesem Fall die Durchsetzungsinitiative aufrecht erhalten werden, und unter dem Druck eines vorweggenommenen – und, wie sich nun zeigt, verfrühten – Triumphgehabes des SVP-Präsidenten. Dieser konnte sich nichts Anderes vorstellen, als dass Volk und Stände die Durchsetzungsinitiative noch deutlicher annehmen würden als die Ausschaffungsinitiative.
 
Am Sonntag, 28. Februar 2016 wird durch Volksentscheid bestätigt, dass eine Mehrheit in diesem Lande zu einem Parlament steht, das seine gesetzgeberische Verantwortung ernst nimmt.
 
Wir vertraten die grunddemokratische Überzeugung, dass Volk und Stände explizit die Verantwortung für die durch die SVP verlangte restlose Abschaffung der Einzelfallprüfung und des Verhältnismässigkeitsprinzips übernehmen müsste. Das Risiko dieser “zweiten Lesung” der Ausschaffungsinitiative war hoch. Es lohnte sich.
 
Volk und Stände sind keine Machtrivalen des Parlaments, sondern dessen Partner, die gemeinsam mit ihm die Willensbildung weiterführen. Das ist eine wichtige Erkenntnis für die Zukunft.
 
Ulrich E. Gut, Präsident des Vereins “Unser Recht”
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