Das Bundesamt für Statistik hat vervollständigten Informationen über Landesverweisungen und Härtefälle publiziert. Aus der Medienmitteilung:

“Im Jahr 2019 wurden 1980 Verurteilungen mit einer Landesverweisung ausgesprochen. In den allermeisten Fällen (90%) handelte es sich um eine obligatorische Landesverweisung. D.h. die ausländische Person wurde aufgrund einer Straftat verurteilt, bei der gemäss Art. 66a StGB eine Landesverweisung verhängt werden muss (Katalogstraftat). 11% der betroffenen Personen hatten einen B- oder C- Ausweis.

Neu konnte das BFS über alle in Art. 66a StGB aufgeführten Straftaten berechnen, wie häufig bei der Verurteilung von ausländischen Personen aufgrund einer dieser Katalogstraftaten eine obligatorische Landesverweisung effektiv ausgesprochen wurde.

Bisher war dies für Katalogstraftaten wie jene des Diebstahls in Verbindung mit Hausfriedensbruch sowie eines einfachen Betrugs (Art. 146 Abs. 1 StGB) in Verbindung mit einer Sozialleistung oder einer öffentlich-rechtlichen Abgabe oder eines Leistungs- und Abgabebetrugs (Art. 14 Verwaltungsstrafrecht) nicht möglich.

Die neu berechnete Anwendungsrate liegt bei 58%. Sie fällt niedriger aus als bisher, da die Anwendungsraten der neu mitberücksichtigten Straftaten unter dem Durchschnitt liegen. Ohne diese seit 1.1.2019 im Strafregister VOSTRA erfassten Straftaten läge die Anwendungsrate bei 66%. In den beiden Jahren davor wies die Anwendungsrate gemäss dieser Berechnungsweise einen leicht höheren Prozentsatz auf.”

Link zur Medienmitteilung.

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NZZ-Redaktor Fabian Schäfer fasst die vervollständigten Informationen wie folgt zusammen:

“Neue Zahlen zeigen, wie die Gerichte die verschärften Regeln zu den Landesverweisen umsetzen. Diebe oder Dealer werden sehr häufig ausgeschafft, Sozialbetrüger fast nie. Jeder zweite Einbrecher darf bleiben.”

“Die neuen Zahlen dürften die Debatte um die Härtefallklausel neu anheizen”, erwartet Schäfer. “Das Stimmvolk hat diese 2016 indirekt legitimiert, indem es die Durchsetzungsinitiative der SVP ablehnte. Die grosse Streitfrage ist nun aber, ob die Richter die Klausel zu oft anwenden. Nach Gesetz darf sie nur «ausnahmsweise» zum Einsatz kommen. Erlaubt ist dies, wenn die Ausschaffung für den Verurteilten einen «schweren persönlichen Härtefall» bedeuten würde, und seine privaten Interessen schwerer wiegen als das öffentliche Interesse an seiner Wegweisung. Dabei müssen die Richter der besonderen Situation von Secondos Rechnung tragen, die hier geboren oder aufgewachsen sind. Kann man noch von «ausnahmsweise» sprechen, wenn die Gerichte nur 58 Prozent der obligatorischen Landesverweisungen auch wirklich verhängen? Die neuen Statistiken helfen, die Zahl besser einzuordnen.” (Link zum Artikel vom 29.6.20)

 

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