Was bedeutet ein Urteil, die Meinungsfreiheit sei verletzt? Kann der erfolgreiche Beschwerdeführer nachher behaupten, das Gericht teile die Meinung oder Behauptung, die er verbreitet habe?

Nein. Das Gericht entscheidet, ob deren Verbreitung nicht unterdrückt oder bestraft werden darf. Das kann bei Persönlichkeitsverletzungen erfordern, dass das Gericht abklärt, ob der Beschwerdeführer einen schweren Vorwurf völlig aus der Luft gegriffen oder ob er eine Meinung geäussert hat, die  ernstzunehmende Kreise teilen.

Anders sieht das Katharina Fontana, die Juristin auf der “Weltwoche”-Redaktion. Sie kritisiert ein Strassburger Urteil, wonach die Beschuldigung, die die Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA) im Abstimmungskampf um die Minarettinitiative erhob, eine Rede eines bestimmten Politikers sei “verbaler Rassismus”, durch die Freiheit zur Meinungsäusserung geschützt sei. Indem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte feststelle, internationale Organisationen hätten die Minarettinitiative als rassistisch beurteilt, packe er “die Moralkeule” aus, schreibt Fontana, und er kanzle “das Minarettverbot indirekt als fremdenfeindlichen Auswuchs ab”. Nun hätten wohl alle, die der Minarettinitiative zugestimmt haben, “als Rassisten zu gelten”.

Mit Urteilsschelte dieser Art werden wir im Jahr, in dem die “Selbstbestimmungsinitiative” zur Abstimmung kommt, vermehrt zu rechnen haben.

Zusammenfassung des Urteils durch Schutzfaktor M hier.

Bleibt anzumerken, dass die SVP, deren Nationalrat Roger Köppel jetzt Katharina Fontanas Chefredaktor ist, mit dem Strassburger Urteil zugunsten Dogu Perinceks, der den Genozid an den Armeniern bestritten hatte, zufrieden war. Niemand wird behaupten, der EGMR habe sich damit selber dieser Leugnung angeschlossen.

 

 

 

 

 

 

 

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