“Missstände am Bundesstrafgericht: Die Aufsicht muss nun liefern.”

Unter diesem Titel schreibt Kathrin Alder in der NZZ (Auszug):

“(…) Vieles läuft nicht rund am Bundesstrafgericht in Bellinzona. Das Präsidium und das Vizepräsidium sind in der Hand einer einzigen Partei, der SVP. Darüber hinaus sind Sylvia Frei und Stephan Blättler beides Deutschschweizer. Zwar verlangte die zuständige Gerichtskommission eine sprachlich und parteipolitisch ausgewogenere Kandidatur. Doch diese kam nicht. Frei und Blättler tauschten stattdessen einfach ihre Plätze.

Das ist jedoch nicht das einzige Personalproblem: Vergangenen Sommer wurden in einer internen Wahl sowohl der Präsident der Beschwerdekammer als auch die Präsidentin der Berufungskammer abgewählt. Das hatte es zuvor noch nie gegeben. Die Gründe für die ausserordentlichen Abwahlen blieben diffus. Hinter vorgehaltener Hand war von einer Strafaktion die Rede, weil sich die beiden gegen die Zustände am Gericht gewehrt haben sollen. (…)

Anfang März beginnt die Hauptverhandlung in einem von fünfundzwanzig Fifa-Verfahren, dem «Sommermärchen». (…) Die deutschen Medien werden den Prozess mit Argusaugen verfolgen. Die Schweizer Strafjustiz wird im internationalen Rampenlicht stehen.

Liegt bis zum 27. April kein Urteil vor, verjährt das Verfahren. Das Gericht scheint dafür mitverantwortlich zu sein: Trotz Zeitdruck benötigte die Strafkammer für die Prüfung der Anklage ein halbes Jahr. Einen ersten Verhandlungstermin liess die Kammer verstreichen, die Anklage schickte sie vergangene Woche an die Bundesanwaltschaft zurück, mit der Einladung, sie solle sich zu einem Straftatbestand äussern, den sie gar nicht geltend gemacht hat. Die Gründe dafür sind nicht bekannt. Ausgerechnet jetzt und ausgerechnet im Prestigefall Fifa wirkt das Bundesstrafgericht überfordert, erweckt gar einen blamablen Eindruck.

(…) Die Aufsicht – die Verwaltungskommission des Bundesgerichts – muss beweisen, dass sie ihre Aufgabe ernst nimmt und nicht nur einmal im Jahr zum Kaffeetrinken in trauter Runde nach Bellinzona kommt, wie dies manche mit dem System vertraute Personen kritisieren. Aber auch die Bevölkerung hat ein Anrecht darauf, über die Zustände am höchsten Strafgericht im Land aufgeklärt zu werden. Das Vertrauen in die Justiz ist hierzulande hoch. Das soll auch so bleiben.”

 

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