Von Dr. iur. Ulrich E. Gut, Präsident des Vereins Unser Recht

Am 23. Mai 2023 wurde die Schweizerische Menschenrechts-Institution (SMRI) geschaffen. Der Gesetzgeber hat ihrer Tätigkeit Grenzen gesetzt. Trotzdem wird sie zur Geltung der Menschenrechte in der Schweiz beitragen.

Die SMRI darf keine Beschwerden behandeln und keine Ombudsfunktion ausüben. Sie wird aber präventiv zur Geltung der Menschenrechte in der Schweiz beitragen. Ihre Aufgaben sind in Artikel 10b des 2021 revidierten Bundesgesetzes über Massnahmen zur zivilen Friedensförderung und Stärkung der Menschenrechte geregelt.

Der Schutz der Menschenrechte ist eine anspruchsvolle Daueraufgabe. Es stellen sich immer wieder neue Fragen, Ziel- und Wertekonflikte, sei es durch neue Technologien oder durch die Verschärfung von Herausforderungen wie Migration, organisiertes Verbrechen, Terrorismus. Der SMRI ist aufgetragen, solche Entwicklungen früh zu erkennen, auf sie hinzuweisen, Lösungswege aufzuzeigen und  zur Diskussion zu stellen, Beratung und Schulung anzubieten.

Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR), das der SMRI als Pilot vorausgeschickt wurde, zeigte überzeugend den Nutzen solcher Arbeit auf. Der Leistungsausweis des SKMR trug dazu bei, dass National- und Ständerat der Gesetzesgrundlage für die SMRI mit grosser Mehrheit zustimmten. Mit Blick auf die Gründung der SMRI wurde das SKMR 2022 aufgelöst.

Der Verein «Unser Recht» setzte sich mit seiner Vernehmlassung sowie mit Stellungnahmen gegenüber den Aussenpolitischen Kommissionen des Ständerats und des Nationalrats für die Schaffung der SMRI ein. Die UNO hatte allen Mitgliedstaaten empfohlen, eine NMRI zu schaffen, und die «Pariser Prinzipien» für die Unabhängigkeit dieser Institutionen erlassen. Die Achtung der Menschenrechte im Innern der Staaten ist nach schweizerischer Überzeugung eine wichtige Grundlage friedlicher, völkerrechtskonformer internationaler Beziehungen. «Unser Recht» wies deshalb auch auf die Notwendigkeit der Schaffung einer NMRI für die Glaubwürdigkeit der schweizerischen Menschenrechts-Aussenpolitik hin.

Die Schaffung einer Nationalen Menschenrechts-Institution stiess auf Widerstand, etwa bei NZZ-Redaktorin Katharina Fontana, die in der Ausgabe vom 30.06.2016 schrieb: «Immerhin weist die Schweiz einen sehr hohen Standard in Menschenrechtsfragen auf. Auch kümmern sich bereits heute zahlreiche staatliche Stellen um menschenrechtliche Themen und engagieren sich für die Rechte von Minderheiten (…).»

«Unser Recht» kommentierte daraufhin: «Das SKMR hat sich aber in den fünf Jahren seines Bestehens einen respektablen Leistungsausweis erarbeitet, indem es  Aufträge ausführte und fassbaren Nutzen stiftete. Es wird deshalb nicht so einfach sein, wie es sich Frau Fontana anscheinend vorstellt, eine Überführung dieses erfolgreichen Pilots auf eine dauerhafte gesetzliche Grundlage abzulehnen.» Alt-Botschafter Paul Widmer schrieb in seiner Kolumne in der «NZZ am Sonntag» vom 23. Juli 2017 unter dem Titel «Weshalb der Bundesrat die Bürokratie aufblähen will»: «Und wenn es in der Schweiz doch zu Menschenrechtsverletzungen kommt? Dann steht heute – anders als vor 25 Jahren – der verwaltungsunabhängige Weg nach Strassburg offen». Die Nationale Menschenrechtsinstitution sei unnötig. Allerdings bemühten sich ihm nahe stehende Kreise gerade, der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in der Schweiz die Geltung zu entziehen. «Unser Recht» wies in einem Artikel unter dem Titel «Die Menschenrechtsinstitution ist ein präventives Instrument» darauf hin.

«Unser Recht» war der Schaffung der SMRI auch personell verbunden: Nationalrätin Vreni Müller-Hemmi, die mit Ständerat Eugen David (dem nachmaligen Beiratspräsidenten des SKMR) vor 22 Jahren eine gleichlautende Parlamentarische Initiative für die Schaffung einer (wie es damals hiess) Menschenrechtskommission einreichte, gehörte 2007 zu den Gründungsmitgliedern von «Unser Recht», wie auch Nationalrätin Martine Brunschwig-Graf, die mit Vreni Müller-Hemmi das Ko-Präsidium des Fördervereins für eine schweizerische NMRI bildete. Ulrich Gut, Präsident von «Unser Recht», war Mitglied des SKMR-Beirates und sodann der Arbeitsgruppe für die Schaffung der SMRI, zeitweilig vertreten durch Geschäftsleiter Dominik Elser, und gemeinsam mit «Unser-Recht»-Mitglied Doris Angst (vormals Vizepräsidentin des Beirats des SKMR). Mehrere Mitglieder von «Unser Recht» wurden nun auch Gründungsmitglieder der SMRI.

Die Startvoraussetzungen des SMRI sind nicht ideal. Die finanzielle Ausstattung mit einem Bundesbeitrag von einer Million im ersten vollen Betriebsjahr (2024) ist, gemessen an den gesetzlichen Aufgaben und verglichen mit NMRI vergleichbarer europäischer Staaten (wie z.B. Dänemark), zu knapp. Immerhin besteht im Parlament die Bereitschaft, den Bundesbeitrag nach ersten Erfahrungen mit der Arbeit der NMRI deren Aufgaben und Leistungen anzupassen. Die im Gesetz vorgesehene Unterstützung durch die Kantone war zum Zeitpunkt der SMRI-Gründung noch Gegenstand von Verhandlungen.

Dem Vorstand des SMRI und der Direktion, die er demnächst einsetzen wird, sind Zuversicht und Tatkraft zu wünschen, sich über diese Anfangsschwierigkeiten hinwegzusetzen und bald zu zeigen, wie nützlich die SMRI für die Geltung der Menschenrechte in der Schweiz im Wandel der Verhältnisse und der Herausforderungen sein wird.

 

Lesetipp

«Die Schweizerische Menschenrechts-Institution verändert die Menschenrechtslandschaft». Interview mit Matthias Hui, Vorstandsmitglied der SMRI, der sich als Koordinator der NGO-Plattform Menschenrechte Schweiz für die Schaffung der SMRI einsetzte.

 

* Bild: VBS/DDPS – Jonas Kambli, Lizenz CC BY-NC-ND


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