SVP-Bundesrichter Hansjörg Seiler, ein Stratege seiner Partei für die “Selbstbestimmung” gegenüber internationalem Recht, hat eine Chance genutzt – und durchaus korrekt: Durch einen Antrag manövrierte er seine Abteilung in die Lage, erneut öffentlich zu erklären, dass sie nicht gekündigtes internationales Recht auch weiterhin anwenden werde, auch wenn eine angenommene Volksinitiative entgegensteht. Im konkretem Fall geht es um die Masseneinwanderungsinitiative.

NZZ-Redaktorin Heidi Gmür berichtet den Vorgang: Link hier.

*

Wird das Bundesgericht die EMRK noch anwenden, wenn die Durchsetzungsinitiative angenommen wird und zu Ausweisungsurteilen führt, die im Widerspruch zur EMRK stehen?

Wird das Bundesgericht das Freizügigkeitsabkommen mit der EU noch anwenden, wenn ein Gesetz seine Geltung bereichsweise aufheben will?

Die zweite öffentlichrechtliche Abteilung des Bundesgerichts gab in zwei Urteilen sogenannte Obiter Dicta, also nicht-enscheidrelevante Stellungnahmen, ab, wonach es diese internationalen Verträge weiterhin anwenden würde. Nach verbreiteter Auffassung wäre die Abteilung aber nach Bundesgerichtsgesetz verpflichtet, eine derart wichtige Frage dem Gesamtgericht zu unterbreiten.

Gemäss einer Neubeurteilung durch die Bundesgerichtsredaktorin der NZZ, Katharina Fontana, kann aber damit nicht mit Sicherheit gerechnet werden. Die Abteilung könnte dazu nicht gezwungen werden. Anderseits wäre eine andere Abteilung, zum Beispiel die strafrechtliche, dann frei, sich über die Praxis der zweiten öffentlichrechtlichen Abteilung hinwegzusetzen. Link hier.

*

Zur  europapolitischen Bedeutung ein Beitrag von Simon Gemperli: Link hier.

Print Friendly, PDF & Email