Die von der Bundeskanzlei finanzierten VOTO-Studien untersuchen das Stimmverhalten bei eidgenössischen Abstimmungen. Das Gemeinschaftsprojekt des Forschungszentrums FORS in Lausanne, des Zentrums für Demokratie Aarau (ZDA) und des LINK Instituts in Luzern hat nun auch die Volksabstimmung vom 25. November 2018 analysiert.

Betreffend die Selbstbestimmungsinitiative halten die Studienautoren fest, dass diese Abstimmungsvorlage vielen Stimmenden Mühe bereitet hätte. 43 Prozent hätten angegeben, ihnen sei es eher schwergefallen, zu verstehen, worum es bei der Vorlage gehe. Für die Entscheidung sei denn auch in erster Linie die politische Einstellung und insbesondere die Parteiidentifikation ausschlaggebend gewesen. Während die SVP-Anhängerschaft das Begehren mit 87 % befürwortete, hätten SP (92 %), Grüne (90 %) sowie die GLP (88 %) die Initiative ebenso klar abgelehnt. Massgeblich zum wuchtigen Nein hätten die Anhänger von CVP und FDP mit je 76 % zur Ablehnung beigetragen.

Als ausschlaggebende Motive auf Seiten der Befürworter identifizierte die Studie die Souveränität und Selbstbestimmung. Fast die Hälfte aller Motivangaben (48%) hätten sich darauf bezogen. Als weitere Gründe seien die Nichteinmischung in Schweizer Angelegenheiten (insgesamt 29%), die abzuwehrende Fremdbestimmung durch die EU (10%), die fremden Richter (5 %) sowie die Stimmabgabe als Votum für die direkte Demokratie (4%) genannt worden (…).

Als die wichtigsten Nein-Motive eruierte die Studie die Glaubwürdigkeit der Schweiz als internationale Verhandlungspartnerin (ca. 34 %), die zu verhindernde Abschottung oder einen Alleingang der Schweiz (16%), der Erhalt der Möglichkeit, Urteile des Bundesgerichts an ein internationales Gericht zu ziehen (ca. 11 %) oder die Gefährdung internationaler Verträge bei Annahme der Initiative (8%). Nur 3% hätten die Furcht vor einem Abbau der Menschenrechte als Hauptmotiv für die Ablehnung der Initiative angegeben (…).

Interessant sind auch die Erkenntnisse der Untersuchung hinsichtlich des Stimmverhaltens in Relation zur Einstellung gegenüber dem Verhältnis zwischen internationalem und nationalem Recht sowie bezüglich des Vertrauens in die Institutionen:

«Wer dem Völkerrecht Vorrang gegenüber dem nationalen Recht einräumt, legte zumeist (94%) ein Nein zur SBI in die Urne. Interessanter ist der Umstand, dass auch solche, die sich bei dieser Grundsatzfrage nicht definitiv festlegen wollen, stark (80%) zu einer Ablehnung tendierten. Noch etwas erstaunlicher ist indessen, dass selbst mehr als ein Drittel (36%) der Stimmenden mit klarer Präferenz zugunsten eines Vorranges des Schweizerischen Bundesrechts am Ende ein Nein zur SBI einlegten. Dieses Stimmmuster war am Ende dafür verantwortlich, dass die SBI trotz grundsätzlichen Hierarchiepräferenzen zugunsten nationalen Rechts relativ klar scheiterte.» (S. 23)

«Das Vertrauen in Institutionen spielte ebenfalls eine wichtige Rolle beim Entscheid. So fiel die Ablehnung des Begehrens umso deutlicher aus, je höher das Vertrauen in den Bundesrat war. Noch wichtiger war indessen die Glaubwürdigkeit des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR). Diese Institution geniesst im Schweizer Elektorat prinzipiell ein grosses Vertrauen, auch wenn diese Vertrauenswerte nicht an jene des Bundesrates herankommen. Wer indessen dem EGMR auch nur ein wenig misstraute, legte mehrheitlich ein Ja zur SBI in die Urnen. Wer allerdings ein überwiegend positives Bild vom EGMR hatte (Werte 6-10 auf der Vertrauensskala, die von 0 bis 10 reicht), stimmte grossmehrheitlich (zwischen 72 und 85%) Ja.» (S. 23)

Thomas Milic, Alessandro Feller und Daniel Kübler (2019). VOTO-Studie zur eidgenössischen Volksabstimmung vom 25. November 2018. ZDA, FORS, LINK: Aarau/Lausanne/Luzern.

Die vollständige Studie sowie eine Zusammenfassung sind abrufbar unter:

http://www.voto.swiss/etudes-et-donnees/

PL

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