In seiner Medienmitteilung zur BGG-Revision weist das Bundesgericht darauf hin, dass die Gesetzesvorlage den Beschwerdeweg ans Bundesgericht auch in bisher ausgeschlossenen Rechtsbereichen öffne, sofern sich eine rechtliche Grundsatzfrage stellt oder sonst ein bedeutender Fall vorliegt. Im Hinblick darauf werde die subsidiäre Verfassungsbeschwerde überflüssig. In einem Artikel in der Richterzeitung (Ausgabe 2018/4) schreibt Bundesgerichtspräsident Ulrich Meyer, dass die Rechtssuchenden mit dieser Beschwerdemöglichkeit selten Erfolg haben, sie aber zu einer grossen Mehrbelastung für das Bundesgericht führe. Er befürwortet eine ersatzlose Streichung.

Im letzten Beitrag zur Revision des Bundesgerichtsgesetzes wurde bereits darauf hingewiesen, dass namentlich der Bereich des Ausländerrechts von einer Streichung der subsidiären Verfassungsbeschwerde stark betroffen wäre, da er gemäss Ausnahmekatalog in Art. 83 des BGG-Entwurfs von der regulären Beschwerde in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten in vielen Fällen ausgeschlossenen ist, sofern sich nicht eine rechtliche Grundsatzfrage stellt oder sonst ein bedeutender Fall vorliegt. Ulrich Meyer schreibt hierzu:

“Das Bundesgericht wird die Eintretensvoraussetzungen der grundsätzlichen Rechtsfrage und des besonders bedeutsamen Falles verfassungskonform handhaben, besonders auch mit Blick auf die Änderungen im Ausländerrecht und den möglichen Weiterzug einer Beschwerdesache an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg.”

Angesichts der starken Opposition im Vernehmlassungsverfahren wurde die subsidiäre Verfassungsbeschwerde im Gesetzesentwurf beibehalten. In der Botschaft (BBl 2018 S. 4623) wird ausgeführt, dass Verfassungsverletzungen ohne die subsidiäre Verfassungsbeschwerde durch die “Maschen” des Rechtsschutzsystems fallen könnten, wenn die Eintretensvoraussetzungen der rechtlichen Grundsatzfrage oder des besonders bedeutenden Falls nach Art. 89a des BGG-Entwurfs nicht erfüllt sind. Zudem besteht die Gefahr, dass für die Rechtssuchenden schwer voraussehbar ist, ob das Bundesgericht die genannten Eintretensvoraussetzungen im Einzelfall bejahen würde; dies könnte in prozessrechtlicher Hinsicht einen Abbau des Rechtsschutzes zur Folge haben.

Prof. em. Rainer J. Schweizer spricht sich schliesslich nicht nur für eine Beibehaltung der subsidiären Verfassungsbeschwerde aus, sondern möchte sie neu auch für die Vorinstanzen des Bundesgerichts auf Bundesebene statt nur für diejenigen auf kantonaler Ebene vorsehen. Er führt zur Reform der Bundesgerichtsbarkeit aus (Richterzeitung, Ausgabe 2018/4, S. 31 ff.):

“Es ist heute unerlässlich, dass das Bundesgericht vor allem in den Fragen der grund- und menschenrechtlichen Verfahrensgarantien eine Einheitlichkeit unter den Gerichten des Bundes sicherstellt.”

Diese Einheitlichkeit ist nicht nur unter den Gerichten des Bundes, sondern auch unter denjenigen der Kantone wünschenswert und die subsidiäre Verfassungsbeschwerde leistet einen Beitrag hierzu, weshalb eine allfällige Streichung sorgfältig zu erwägen wäre.

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