Wenn eine schweizerische Gesetzesnorm, die jünger ist als ein völkerrechtlicher Vertrag, diesem widerspricht, geht die Vertragspflicht vor, ausser wenn sich der Gesetzgeber bewusst über sie hinwegsetzen wollte.

Die Genfer Flüchtlingskonvention verlangt die Gleichstellung anerkannter Flüchtlinge mit Einheimischen. Artikel 1 Absatz 1 des Bundesbeschlusses über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und Staatenlosen in der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung weicht davon ab:

“Flüchtlinge mit Wohnsitz und gewöhnlichem Aufenthalt in der Schweiz haben unter den gleichen Voraussetzungen wie Schweizer Bürger Anspruch auf ordentliche Renten der Alters- und Hinterlassenenversicherung sowie auf ordentliche Renten und Hilflosenentschädigungen der Invalidenversicherung. Das Erfordernis des Wohnsitzes und des gewöhnlichen Aufenthalts ist von jeder Person, für die eine Rente ausgerichtet wird, einzeln zu erfüllen.”

Aufgrund des zweiten Satzes hätten die in Frankreich lebenden Kinder eines in der Schweiz lebenden anerkannten Flüchtlings keinen Anspruch auf eine Leistung der Invalidenversicherung. Das Bundesgericht stellte nun fest, der Gesetzgeber habe sich nicht bewusst über die Flüchtlingskonvention hinwegsetzen wollen, und bejahte deshalb grundsätzlich den Rentenanspruch, unter dem Vorbehalt der Ergebnisse zusätzlicher Abklärungen: Die zuständige IV-Stelle “muss nun insbesondere prüfen, ob der tschadische Vater nicht auf seinen Flüchtlingsstatus verzichtet hat und ob die Vaterschaftsanerkennung, die er in Frankreich abgegeben hat, auch in der Schweiz gültig ist” (Kathrin Alder, NZZ).

Link zum Bericht von Kathrin Alder, NZZ.

Link Bericht von Rafael von Matt, SRF.

Lien rapport ATS / “24 Heures”

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