Im Sommer 2021 erregte ein Urteil des Appellationsgerichts Basel-Stadt in einem Vergewaltigungsfall grosses öffentliches Aufsehen. An dieser Stelle hat Dr. iur. Anna Coninx, Assistenzprofessorin für Strafrecht und Strafprozessrecht an der Universität Luzern und Vorstandsmitglied von «Unser Recht», das Basler Vergewaltigungsurteil bereits einmal eingeordnet.

Nachdem nun die schriftliche Urteilsbegründung veröffentlicht wurde, äusserte sich Dr. Coninx erneut in den Medien (zum Beispiel hier bei watson). Das Urteil sei zwar «sorgfältig und nachvollziehbar», es stehe aber für die allgemein zu milde Praxis bei Sexualstraftaten. Sie sagt:

«Das eigentliche Problem, das exemplarisch bei diesem Fall zum Ausdruck kommt, scheint mir, dass Vergewaltigungen in der Schweiz grundsätzlich sehr milde bestraft werden.»

Auch wenn Vergewaltigungen mit bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe belegt werden können, liegen die verhängten Strafen oft deutlich darunter. Wie es im watson-Artikel dazu heisst: «Das Basler Appellationsgericht vergleicht sein Urteil mit anderen Fällen. Erwähnt wird eine sogenannte Kettenvergewaltigung. Drei Männer entführten eine Frau, schlugen sie, würgten sie und zwangen sie, Drogen einzunehmen. Dann brachte einer der Männer sie in sein Zimmer. Die anderen warteten in der Küche. Alle drei vergewaltigten sie nacheinander.
Für diese Tat hielt das Basler Strafgericht eine Freiheitsstrafe von vier Jahren für angemessen.
Was das Appellationsgericht mit dem Vergleich sagen will: Der Fall der Kettenvergewaltigung ist schlimmer als der Fall von der Elsässerstrasse. Folglich ist für diesen Fall eine mildere Strafe angebracht.
Für Coninx zeigt der Vergleich etwas Anderes: Dass die Rechtsprechung in den zitierten Urteilen sehr mild sei. Vier Jahre empfindet sie im Fall einer brutalen Kettenvergewaltigung, in dem das Gericht von einem ‹erheblichen Tatverschulden› spricht, nicht als gerechte Strafe. Sie sagt: ‹Wir müssen jetzt sehr grundlegend über unser Strafsystem nachdenken.›»

Assistenzprofessorin Coninx fragt deshalb:

«Weshalb wird der Strafrahmen in diesen Fällen nicht besser ausgeschöpft? Darüber sollten wir diskutieren.»

Diese Diskussion müsse sich dabei nicht um neue gesetzliche Grundlagen drehen. Das Problem der zu milden Strafen bei Vergewaltigungen liegt an anderer Stelle:

«Dafür braucht es keine weitere Gesetzesanpassung, sondern eine Debatte über gerechtes Strafen.» Und: «Mich stört insbesondere, dass wir keine Skrupel haben, Straftäter wegen einer nicht beweisbaren Gefährlichkeit über Jahre in Verwahrung und stationärer Massnahme wegzusperren, aber kaum mehr über gerechte Strafe sprechen».

Strafen könnten besser begründet werden und würden von den Betroffen auch besser akzeptiert, sagt Dr. Coninx. Der Verein «Unser Recht» wird weiterhin einen Beitrag zu dieser Debatte leisten.

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