Walter Haller zur Auseinandersetzung über die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in Strassburg

Walter Haller, emeritierter Professor für Staatsrecht, Verwaltungsrecht und Verfassungsvergleichung der Universität Zürich, verdanken wir folgende Zuschrift:

„Mit der Herleitung von Schutzpflichten aus Art. 8 EMRK (z.B. im Zusammenhang mit Umweltschutz) hat sich Elisabeth Chiariello in Ihrer hervorragenden Habilitationsschrift „Der Richter als Verfassungsrichter? – Zur Fortbildung von Grundlagen des Rechtsstaats und der Demokratie durch höchste Gerichte“ (Zürich/St. Gallen 2009) auf S. 231 bis 246 eingehend und kritisch-konstruktiv befasst. Hier gibt es Passagen in vereinzelten Entscheiden, die nicht gerade von richterlicher Zurückhaltung geprägt sind. Allerdings hat die Grosse Kammer im Urteil Hatton v. United Kingdom im Zusammenhang mit Klagen über Lärmbelästigung durch Nachtflüge in London Heathrow die von der britischen Regierung getroffenen Massnahmen unter Hinweis auf die Subsidiarität der Kontrollfunktion des EGMR genügen lassen. 

Debatten über „judicial activism“ und „judicial restraint“ sind so alt wie die Gerichte selbst, Auseinandersetzungen darüber mehr als legitim. Sogar der „fremde Richter“ Luzius Wildhaber hat die Strassburger Rechtsprechung mehrmals unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität kritisch durchleuchtet. Sachliche und fundierte Kritik ist also durchaus erwünscht. 

Sehr bedauerlich ist es indes, wenn ein ehrgeiziger und durchaus erfolgreicher Wissenschafter sich für eine liederlich redigierte, an primitive Emotionen appellierende Volksinitiative einsetzt und die an universalen Menschenrechten ausgerichtete schweizerische Tradition mutwillig aufs Spiel setzt, um sich als Politiker bei einer nationalkonservativen Partei zu profilieren. Kein Wunder, dass er von seinen Kollegen nicht an seiner politischen Aktivität gemessen werden will und diese von seiner Person als ernst zu nehmender Wissenschafter separieren möchte.“

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