Markus Felber zum eskalierenden Streit um EMRK und Strassburger Rechtsprechung.

„Die Schweiz sollte sich dem Unmut über Strassburg stellen.“ Unter diesen Titel stellt Markus Felberseine Kolumne „Alles, was Recht ist“ in der „NZZ am Sonntag“ vom 22. September (S.25). Das Thema der dynamischen Weiterentwicklung der Europäischen Menschenrechtskonvention müsse offen angegangen werden, „statt es zu tabuisieren. Und schon gar nicht sollte das Feld der SVP mit ihren dumpfen Reflexen gegen aes Völkerrecht überlassen werden“.

Für Felber ist die EMRK „eine grossartige Idee, deren Umsetzung in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts den Staaten Westeuropas grundrechtliche Standards von unschätzbarem Wert verschafft hat.“ Seither sei aber der Fokus immer mehr auf „Gerechtigkeit im Einzelfall“ gelegt worden. So sei ein „unkontrolliertes Richterrecht“ entstanden, „das die 1950 völkerrechtlich vereinbarten menschenrechtlichen Minimalgarantien stetig ausweitet und verändert. Und das wiederum führt zu Verwerfungen in der Balance der Staatsgewalten, die naturgemäss in einem Land mit direktdemokratischen Wurzeln stärker und früher wahrgenommen werden als anderswo.“

Felber äussert sich auch zu einem Bundesgerichtsurteil, das kürzlich veröffentlicht wurde und in dem „in ungewöhnlich rüdem Ton“ kritisiert werde, „dass die Richter in Strassburg elementare Verfahrensregeln missachten, indem sie bei ihren Entscheiden Fakten berücksichtigen, die sich erst Jahre nach dem angefochtenen Schweizer Entscheid ereignet haben.“ Felber hält diesen Vorwurf für berechtigt.

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