Dario Picecchi* hat für “Unser Recht” eine Einschätzung zu den revidierten Triagerichtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW) und der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin (SGI) vorgenommen. Link zum PDF des Artikels.

Auszug:

“Das neue Zuteilungskriterium der Gebrechlichkeit bietet verschiedene Vorteile: Primär kann bei korrekter Anwendung Altersdiskriminierung vermieden werden. Statt die Zuteilung knapper medizinischer Ressourcen von einer bestimmten Altersgrenze abhängig zu machen, ist nun die individuelle Nutzenprognose massgebend. Die Auswirkungen des Alters auf die Widerstandsfähigkeit sind nicht bei jeder Person gleich gross. So gibt es beispielsweise 85-Jährige, die einen besseren Allgemeinzustand aufweisen als 70-Jährige. Diesen individuellen Unterschieden trägt das Kriterium der Gebrechlichkeit Rechnung. Des Weiteren vereinfacht die Gebrechlichkeitsskala die Beurteilung der individuellen Überlebenschancen, da auf ein einfach handhabbares und bewährtes Konzept zurückgegriffen wird. Schliesslich hält die Gebrechlichkeitsskala klare Beurteilungskriterien fest, womit Zuteilungsentscheide nachvollziehbarer werden.

Trotz dieser Vorteile gilt es verschiedene Risiken zu beachten: Wichtig ist, dass die klinische Gebrechlichkeitsskala korrekt angewandt wird – insbesondere hinsichtlich des erforderlichen Mindestalters, des Beurteilungszeitpunktes und der Nichtberücksichtigung von Behinderungen. Zudem besteht die Gefahr, dass die Zielsetzung des Zuteilungskriteriums nicht richtig verstanden wird. So sind namentlich die Überlebenschancen einer Person zu beurteilen und nicht etwa ihre Lebensqualität. Schliesslich verwendet die Gebrechlichkeitsskala gewisse Schematisierungen, die ggf. nicht jedem Einzelfall gerecht werden. Um solchen Risiken entgegenzuwirken, muss das Fachpersonal das Kriterium der Gebrechlichkeit mit all seinen Vor- und Nachteilen kennen und wissen, wie es korrekt beurteilt wird.”

* Dario Picecchi, MLaw, ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl von Prof. Dr. iur. Bernhard Rütsche an der Universität Luzern tätig. Er verfasst eine Dissertation zum Wirtschaftlichkeitsgebot im Krankenversicherungsrecht.

 

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