Ein Interview mit Markus Notter, dem neuen Präsidenten der Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz, in den Zürcher Regionalzeitungen vom 13. April 2012. Interviewer: Jürg Krebs.

Herr Notter, täuscht der Einruck oder haben Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in den vergangenen Jahren tatsächlich zugenommen?

Ich befürchte, dass das stimmt.

Wie erklären Sie sich das?

Durch den dauernden Gebrauch von Klischees in der politischen Werbung haben sich Massstäbe verschoben. Ein wesentlicher Teil ds politischen Systems und namentlich die SVP wollen über Ausgrenzung von Minderheiten Wählerstimmen gewinnen.

Worin sehen Sie das Problem?

Wird mit diesen Themen Politmarketing betrieben, entsteht eine intolerante Stimmung. Es ist nur logisch, dass konkrete Taten folgen, wie Gesetzesverschärfungen oder Einschränkungen von Grundrechten.

Die Bewirtschaftung des Themas Ausländer kennt offenbar Grenzen, wie der Wahlherbst 2011 gezeigt hat.

Das gibt Hoffnung. Das nachlassende Interesse hängt mit der Übertreibung zusammen. Die verwendeten Bilder über Ausländer entsprachen ganz offensichtlich nicht mehr den Erfahrugen der Leute. Die Wähler erkannten darin eine politische Masche, was sie nicht goutierten.

Was ist passiert? Die Schweiz empfand sich doch über viele Jahrzehnte als Hort der Humanität.

Probleme im Asylbereich werden unglaublich aufgebauscht. Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Natürlich gibt es Probleme mit unangepassten Asylsuchenden oder mt deren Unterbingung – jedoch nicht in dem existenziellen Ausmass, wie die Diskussion glauben macht. Ich sage bewusst polemisch: Vielleicht geschieht dies in Ermangelung anderer Probleme so. Heikel finde ich, dass sich nun Parteien auf das Thema stürzen, die das bislang nicht getan haben.

Zum Beispiel Ihre Parrtei, die SP. In einem Positionspaiper hat sie jüngst festgehalten, dass de Zuwanderung in Agglomerationsgebiete mit hohem Ausländeranteil wie Zürich eingeschränkt werden soll?

Ich kenn das Papier nicht im Detail und nur aus den Medien. Es gibt berechtigte Fragen, wie jene nach dem Umgang mit Lohndumping.

Die Bundesverfassung garantiert Minderheitenschutz in einem grossen Ausmass. Ist er ausreichend?

Die Regelungen rund um den Grudrechhtschutz sind das eine. Sie sind vom Staat garantiert und lassen sich über Gerichte durchsetzen. Das andere ist die Haltung der Gesellschaft und ihrer Gruppen gegenüber diesen Rechten. Das ist, was die Gesellschaft Minderheiten in der Schweiz (GMS) vor allem interessiiert.

Demokratie bedeutet, dass die Mehrheit unter Einbezug der Minderheit regiert. Das ist durch verfassungswidrige Initiativen der letzten Jahre infrage gestellt.

Es gibt tatsächlich eine fast brutale Souveränitätsrhetorik. Das Volk befiehlt, heisst es. Das ist falsch. Die Mehrheit befiehlt nicht einfach über alle Belange des Zusammenlebens, sondern nur über die politisch gestaltbaren Bereiche. Die Grundrechte sind durch sie nicht antastbar.

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