“Ce pays-là, celui des camps d’internement, n’est pas le nôtre” / Unzweckmässige Asylpolitik / Internierungslager: Historisch belastet – aber wie?

Zwei Stimmen zur laufenden Verschärfung des Asylrechts:

Ariane Dayer, Chefredaktorin von „Le Matin Dimanche“, in einem Kommentar unter dem Titel „Ce pays-là“ (erschienen am 3. Juni 2012):

„Nous sommes donc devenus ce pays-là. Celui dans lequel une commission parlementaire ose utiliser l’’expression ‘camp d’internement’ pour y boucler des requérannts d’asile. Sans frisson historique. Un pays dans lequel on envisage de supprimer l’’aide sociale “a certains réfugiés, de restreindre les regroupements familiaux, d’enfermer tout candidat à l’asile ‘’récalcitrant’ sans définir le terme. Un pays dans lequel on place des centres d’accueil au sommet des montagnes, à plusieurs heures des villages, hors de contact. Façon léproseries.

Un pays dans lequel tous ces signaux n’indignent plus que quelques vieux archétypes de gauche, qui crient au loup depuis tellement longtemps que plus personne ne les écoute. Un pays UDC en somme. Puisqu’on est en train de donner tous les gages à ce parti. Et qu’il s’en sert pour aller encore plus loin, affirmant même, cette semaine, qu’il comprendrait que, face à la criminalité étrangère, ‘les citoyens prennent les choses en mains pour se faire justice eux-mêmes’, Affolant.

Où sont les autres ? Le PDC qui affirme ‘mettre l’humain au centre’ ? Le PLR qui se prétend éclairé ? Qui arrêtera cette fuite en avant dans le durcissement du droit d’asile ?

L’angélisme n’est, bien sûr, pas de mise. On s’est pâmé sur la beauté du Printemps arabe. Il faut admettre aujourd’hui que certains requérants qui en viennent, déçus d’un accueil qui ne leur donne pas d’emploi, organisent des réseaux de criminalité. C’est un fait. Qui exige des réponses concrètes. Un pays comme le nôtre devrait les trouver dans d’autres voies que celles qui flirtent avec les violations des droits de l’homme.

Y aura-t-il, au centre ou dans la droite traditionnelle, quelqu’un pour se lever ? Pour annoncer solennellement la fin des dérapages. Pour dire que ce pays-là, celui des camps d’internement, n’est pas le nôtre. »

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Christoph Wehrli kommentierte in der NZZ vom 21. Mai 2012 unter dem Titel „Asylpolitik ohne Moral“: „Die Asylgesetzrevision ist in vielem schlicht unzweckmässig. (…) Nichts gegen Moral. Aber im Sinne eines Gedankenexperiments sei einmal versucht, die Probleme und Lösungsvorschläge von dieser Fracht zu befreien und vor allem auf die Realitäten zu achten. So wird darüber gestritten, welche Unterkunft und Versorgung Asylsuchende ‚verdienen‘. Nüchterne Überlegungen legen es nahe, sie so unterzubringen, mit Betreuungspersonal unter ‚sozialer Kontrolle‘ zu halten und nach Möglichkeit zu beschäftigen, dass sich Ärger von Nachbarn, Einsätze der Polizei und Desorientierung der Betroffenen vermindern lassen. Oder es sind jene Politiker, die (im Fall fehlender Zwangsmittel) eine kantonale Rückkehrhilfe als ‚Belohnung von Kriminellen‘ ablehnen, zu fragen, ob sie denn die weitere Anwesenheit von (ehemaligen) Delinquenten vorziehen.

Anschauungsunterricht bieten auch viele Anträge zur Asylgesetzrevision, die im Juni in den Nationalrat kommt. Welcher Flüchtlingsbegriff lässt sich in der Praxis anwenden und der Bevölkerung verständlich machen? Am besten wohl ein konsequentes Abstellen auf die politische Verfolgung (für die Rückschiebung Verfolgter tritt ja niemand ein). Die geplante Nichtanerkennung der unverhältnismässigen, grausamen Verfolgung von Militärdienstverweigerern, die auf ein Unterdrückungsregime schliessen lässt, schafft aber Unklarheit. Auch werden die Eritreer, gegen die sich diese Bestimmung richtet, ohnehin weiterhin hierherkommen, da ihre vorläufige Aufnahme unbestritten ist.

Was das Verfahren betrifft, werden oft die Interessen der Asylsuchenden und die des Staates einander gegenübergestellt. Zentral wäre für beide die zügige und zuverlässige Abklärung der Schutzbedürftigkeit. Unter dem Druck der Emotionen setzt man indes einmal mehr aus gesetzgeberischen Aktivismus statt auf den rechtzeitigen Einsatz von genügend Beamten. Der Bundesrat beantragt zwar bei den Gründen für Nichteintretensentscheide eine Vereinfachung, will aber eine neue ‚Vorbereitungsphase‘ festschreiben, die auf eine Verdoppelung der Befragung zu den Asylgründen hinauslaufen kann. Die Nationalratskommission möchte zudem ein ‚Vorgespräch‘ einführen, das weiteren Aufwand bedeutet und sich unklar zwischen Beratung und ‚Filter‘ bewegt.

Hinzu kommen Anträge, das Bundesverwaltungsgericht in seiner Befugnis einzuschränken oder gar (nach der SVP-Fraktion) durch eine Rekursinstanz innerhalb der Verwaltung zu ersetzen. Aus Verärgerung über einzelne unbequeme Gerichtsurteile, die juristisch kaum kritisiert werden, nimmt man in Kauf, mit dem Rechtsschutz (einschliesslich der unabhängigen Bestätigung negativer Entscheide) das Asylsystem als Ganzes zu schwächen – und den unerwünschten Wiedererwägungsgesuchen Auftrieb zu verschaffen.

In der allgemeinen Ausländerpolitik wird mehrheitlich erkannt, dass die Integration im Eigeninteresse der Gesellschaftliegt und durch Rahmenbedingungen und Massnahmen zu fördern ist. Im Asylbereich haben Integrationshilfen zwar Tradition, wird aber zu lange von einem nur vorübergehenden Aufenthalt ausgegangen. So will die Nationalratskommission ‚vorläufig Aufgenommenen‘ erst nach fünf Jahren den Familienachhzug und erst nach sieben Jahren eine normale Aufenthaltsbewilligung ermöglichen. Und in einer Flüchtlingsfamilie soll die Asylberechtigung einzeln abgeklärt werden, damit sich Mitglieder mit anderem Status später allenfalls leichter wegweisen lassen – kein gutes Integrationssignal. Eine starke Kommissionsminderheit möchte, dass schon die Asylsuchenden statt Sozial- blosse Nothilfe erhalten – wie die Weggewiesenen, die doch schlechter zu stellen wären. Unter anderem fragt sich, ob eine weitgehende Entmündigung der Asylsuchenden die Integration beziehungsweise eine selbständige Rückkehr begünstigt.

Beim heutigen Stand lässt sich absehen, dass die linke die Asylgesetzrevision ablehnen und die SVP umso freudiger gegen ‚Gutmenschentum‘ auftrumpfen wird. Die ‚lösungsorientierten‘ Parteien haben ein Interesse, dem entgegenzuwirken – sie hätten dafür neben pragmatischen natürlich liberale und christliche Argumente zur Verfügung.“

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Die Meisterprovokateure der populistischen Rechten setzen sich mit einem neuen Schocker in Szene: “Internierungslager”. Vorab: Wichtiger als der Begriff ist allerdings, wer künftig, aus welchen Gründen, unter welchen Bedingungen, mit welchen Rechtsmitteln, befristet oder unbefristet in Haft gesetzt werden soll.

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Eine rasche Recherche ergibt, dass der Begriff “Internierungslager” nicht der nationalsozialistischen Verbrechenswelt angehört; die Nazis verwendeten eine andere Terminologie. Viele Staaten, vor allem kriegführende, haben Kriegsgefangene, als feindlich eingestufte Zivilisten, aber auch Flüchtlinge, in Internierungslagern gefangen gehalten. Bei Wikipedia wurden Beispiele seit dem Ersten Weltkrieg zusammengestellt.

Mehr Informationen finden Sie hier.

Das vormalige Konzentrationslager Buchenwald wurde von den Sowjets in ein Internierungslager umgewandelt. Die Sowejts führten zahlreiche Internierungslager.

Mehr Informationen finden Sie hier.

Auch in der Schweiz gab es in Kriegszeiten Internierungslager. In solchen wurden auch jüdische Flüchtlinge untergebracht. Ein Textbeispiel unter vielen finden Sie hier.

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Am stärksten belastet ist der Begriff in der Schweiz wohl durch die Bedeutung der Internierungslager während des Zweiten Weltkriegs, insbesondere im Zusammenhang mit Asylverweigerung und Ausschaffung jüdischer Flüchtlinge. In einer weiteren Sicht steht er heute für eine neue Eskalationsstufe der Migrationspolitik, weil er aus Kriegszeiten stammt: Es sind weitgehend dieselben politischen Kräfte, die unser Land im Wirtschaftskrieg sehen und die es nun – zumindest begrifflich – auf einen Migrationskrieg einstimmen wollen.

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