In einem ausführlichen Gespräch mit der “Republik” über Entwicklung und Zukunft von Rechtsstaat und Demokratie legt Prof. Markus Schefer (Universität Basel) dar, wie Contact Tracing rechtsstaatlich korrekt einzuführen ist. Link zum Artikel.

Auszug aus dem Artikel:

“Die Ethik­kommission des Bundes veröffentlichte vergangene Woche eine Empfehlung, wonach eine derartige App zur Überwachung der Bevölkerung und zur Eindämmung des Corona­virus unter bestimmten Umständen zulässig sei.

«Diese Vorgehensweise ist seltsam», sagt Schefer. «Warum fragt das Eidgenössische Departement des Inneren die Ethik­kommission? Denn es ist nicht Aufgabe der Ethik­kommission, die rechtliche Zulässigkeit einer solchen App zu beurteilen. Es handelt sich hier in erster Linie um eine verfassungs­rechtliche Frage: das Recht auf Privat­sphäre, insbesondere das Recht auf informationelle Selbst­bestimmung. Und dieses würde durch eine solche App massiv beschnitten. Die Ethik­kommission meint, eine zentrale Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen App sei ihre Freiwilligkeit. Aber Freiwilligkeit kann keine gesetzliche Grundlage ersetzen für einen solch schwer­wiegenden Eingriff in die Privatsphäre.»

«Was wäre die korrekte Vorgehensweise?»

«Das Parlament müsste eine rechtliche Grundlage schaffen. Oder allenfalls der Bundesrat mittels Notverordnung, um diese dann so schnell wie möglich in ein ordentliches Bundes­gesetz oder übergangsweise eine Parlaments­verordnung zu überführen. Solche Apps werden ja derzeit auf europäischer Ebene diskutiert. Und das zeigt schön die Problematik auf, die wir bereits angesprochen haben, vom Übergang in die neue Realität: die Frage, wie es nach dem Lockdown auf längere Sicht weitergehen soll. Und wie das dann alles mit unseren Grund­rechten vereinbar ist. Da wird es schnell viel problematischer, als es heute schon ist. Und eine derartige App ist in der Tat hoch problematisch. Denn damit könnte man 24-Stunden-Bewegungs­profile von Personen erstellen. Somit wäre zwar die Rückverfolgbarkeit der Ansteckungs­kette wohl möglich. Gleichzeitig hätten Sie faktisch dasselbe Ergebnis, wie wenn Sie uns alle rund um die Uhr observierten. Bei derart schwerwiegenden Grundrechts­eingriffen ist es Aufgabe des Staates, nach Methoden zu suchen, die vielleicht etwas weniger effektiv sind, aber dafür die Privat­sphäre des Einzelnen viel weniger beeinträchtigen.»

Zu Contact Tracing siehe auch:

Adrienne Fichter: “Das grosse sozial-digitale Experiment.” (Link)

Patrick Recher: “So funktioniert eine Corona-Tracing-App, die Ihre Privatsphäre schützt.” (Link)

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