Diskussionsbeitrag von alt Bundesrichter Niccolò Raselli zur Burka-Initiative:

“Würde mich ein Modemagazin fragen, was ich von der Burka halte, antwortete ich, sofern ich an der Umfrage überhaupt teilnehmen würde: „Gefällt mir nicht.“ Am 7. März wird es allerdings nicht um die Umfrage eines Modemagazins gehen, sondern um die Frage, ob sich unsere Bundesverfassung zur Burka äussern, ja sie verbieten soll.

Die Bundesverfassung umschreibt, was für die Menschen in unserem Land wichtig ist. Zum Beispiel: Dass die Würde des Menschen zu achten und zu schützen ist, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind und niemand diskriminiert werden darf. Sie gewährleistet die Glaubens- und Kultusfreiheit. Bekleidungsvorschriften gehören definitiv nicht in die Bundesverfassung.

Menschen haben das Recht, ihr Gesicht zu zeigen. Sie haben aber ebenso das Recht, es zu verhüllen. Probleme entstehen dort, wo der Staat seinen Einwohnern und Einwohnerinnen vorschreibt, was sie zu tragen haben und was nicht und was sie von sich zeigen dürfen bzw. müssen und was nicht.

Mit der Verbotsinitiative wird das Tragen der Burka künstlich zu einem Pseudo-problem aufgebauscht. Ich habe beispielsweise in Obwalden noch nie eine Burka gesehen – und wenn auch. Vereinzelt mag man verhüllten Frauen in Genf, Gstaad, St. Moritz oder auf der Bahnhofstrasse begegnen, wenn sie in Begleitung ihrer Scheichs in die Schaufenster teurer Schmuck- und Uhrenläden gucken. Das geht uns aber nichts an. Und stört es jemand, kann er/sie wegschauen.

Inländische Burka- oder Nikab-Trägerinnen – man schätzt deren Zahl auf zwischen 20 und 30 –  vom „Patriarchat“ erlösen zu wollen, zeugt von Arroganz, wenn nicht von Heuchelei. Wer streng orthodoxen Musliminnen pauschal Willfährigkeit ihren Männern gegenüber unterstellt, beleidigt sie. Ein Verbot hülfe selbst Musliminnen, sollten sie die Verhüllung nur widerwillig, dem Druck ihres Ehemannes nachgebend tragen, mitnichten. Vielmehr stürzte es sie in ein unlösbares Dilemma.

Klar ist, dass Verhüllungen im Kontakt mit Behörden nicht angehen. Der Bundesrat präsentiert denn auch einen entsprechenden indirekten Gegenvorschlag zur Initiative. Verhüllte Musliminnen müssten zum Beispiel auf dem Migrationsamt ihr Gesicht zeigen und, falls sie sich weigern, eine Busse bezahlen. Diese Massnahme  ist verhältnismässig und damit eine verfassungskonforme Lösung. Sie steht mit grundlegenden Bestimmungen der Bundesverfassung wie der Kultusfreiheit und dem Diskriminierungsverbot in Einklang.

Ein generelles Verhüllungsverbot, wie es die Initianten anstreben, ist entweder ideologisch geprägt, entspringt einem fundamentalen Laizismus oder es bezweckt wie schon das Minarett-Verbot einmal mehr Islam-Bashing.

Darum NEIN zur Burka-Initiative und JA zum indirekten Gegenvorschlag.”

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