“Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende”: Auf diese Formel bringt alt Bundesrichter Niccolò Raselli die Konsequenz, die er aus der Krise der Bundesanwaltschaft zieht-

Link zum Artikel, erschienen in der Zeitschrift “recht”, 3/2020.

Auszug:

“(…) Die Verfolgung der zum Teil sogar in die ausschliessliche Zuständigkeit der Bundesbehörden fallenden Straftaten wäre bei den Kantonen besser aufgehoben und sollte deshalb grundsätzlich
bei den kantonalen Ermittlungs- und Strafgerichtsbehörden angesiedelt werden. Komplexe Fälle wären an Kantone mit einschlägigen Erfahrungen und entsprechenden Ressourcen zu delegieren. Allenfalls wäre denkbar, die Verfolgung einiger weniger ausgewählter Delikte in der Kompetenz der Bundesanwaltschaft zu belassen. So etwa Delikte gegen völkerrechtlich geschützte Personen, Magistratspersonen des Bundes und Mitglieder der Bundesversammlung (Art. 23 lit. a StPO). Mit der gleichsam flächendeckenden Zuständigkeit der Kantone würden auch die mitunter kaum nachvollziehbaren Zuständigkeitsabgrenzungen zwischen Bund und Kantonen entfallen. Der massiv zu redimensionierenden Bundesanwaltschaft käme im Wesentlichen noch die Funktion einer Koordinationsbehörde zu. So gelang es
jüngst dank der von der Bundesanwaltschaft und der Staatsanwaltschaft von Catanzaro koordinierten Ermittlungen der italienischen Guardia di Finanza und der Polizeien der Kantone Aargau, Tessin, Zug und Solothurn, am 21. Juli 2020 in Italien
und in der Schweiz 75 mutmassliche Mafiosi zu verhaften.

Die Ansiedlung der Strafverfolgung bei den Kantonen dürfte das Bundesstrafgericht überflüssig machen. Doch wäre auch der Rechtsschutz bei den Kantonen besser aufgehoben. Aufgrund des
im April 2020 erschienenen Schlussberichts der Aufsichtsbehörde, der von den Medien kolportierte Missstände am Bundesstrafgericht untersuchte, bleibt von diesem Gericht, wie die NZZ zusammenfassend festhält, «das Bild einer Institution, die mit
internen Streitigkeiten beschäftigt war – und damit vor allem mit sich selbst»..Die Remedur hätte freilich einschneidende Konsequenzen namentlich auf organisatorischer, personeller und finanzieller Ebene. Es kann hier nicht der Ort sein, das im Einzelnen aufzuzeigen. Lösbar sind die damit verbundenen Probleme alleweil, sofern der politische Wille dazu besteht. Dabei
muss man sich vor Augen halten, dass gelegentlich ein Ende mit Schrecken einem Schrecken ohne Ende vorzuziehen ist.”

 

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