“An der Urne geht es diesmal auch um die Forschung”: Unter diesem Titel ruft Patrick Aebischer, 2000 bis 2016 sehr erfolgreicher Präsident der Ecole Polytechnique Fédérale Lausanne (EPFL: ETH Lausanne), zur Ablehnung der “Selbstbestimmungsinitiative” auf.

Auszug aus seinem Artikel in der “NZZ am Sonntag” vom 18.11.18, S. 22:

“Die Selbstbestimmungsinitiative setzt die Schweizer Wissenschaft grossen Risiken aus – mit Folgen für unseren Wohlstand.

(…) Diese Vorlage droht die künftige Beteiligung der Schweiz an den von ihr ausgehandelten internationalen Verträgen, auch an jenen mit der EU, zu gefährden. Eine Annahme der Initiative wäre also auch eine Bedrohung für die wertvollen Abkommen im Zusammenhang mit den EU-Forschungsprogrammen; Schweizer Forscher könnten künftig ausgeschlossen, die Wettbewerbsfähigkeit der Schweizer Forschung könnte schwer beeinträchtigt werden.

Nach der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative vom 9. Februar 2014 wurde vielerorts auf die Verantwortung der Schweizer Wissenschaft hingewiesen, der man mangelndes Engagement im Kampf gegen diese Initiative vorwarf. Die Schweizer Wissenschafterinnen und Wissenschafter bekamen die Auswirkungen der Abstimmung als Erste zu spüren, da sie praktisch über Nacht von den EU-Forschungsprogrammen ausgeschlossen wurden. Gemäss Angaben des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation erlitt die Schweiz zwischen 2014 und 2016 einen Verlust von mehr als 1,4 Milliarden Franken; ein Betrag, der nicht wieder wettgemacht werden konnte. Auch die Schweizer Hochschulen bekamen die Folgen des Ausschlusses zu spüren: Sie hatten Mühe, Spitzenprofessoren anzuwerben. Aber genau solche Leute sind ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Universitäten. Es bedurfte in der Folge des ganzen Einfallsreichtums unserer Diplomaten, um uns zumindest teilweise wieder in solche Programme zu integrieren.

Das Wohl unseres Landes hängt zum grossen Teil von der Qualität unseres Bildungssystems ab, besonders von unseren Universitäten, die weltweit zu den besten gehören. Allerdings kann das Schweizer Hochschulsystem nur wettbewerbsfähig sein, wenn es offen ist. Unser Land ist zu klein, um es aus eigener Kraft zu schaffen. Unsere Wissenschafter sind auf internationale Zusammenarbeit angewiesen. Die Schweizer Wissenschafter nehmen mehr Wettbewerbsgelder ein, als die Schweiz ins EU-Forschungssystem einspritzt. Die zahlreichen Startups, die hierzulande aus dem Boden schiessen, sind das Ergebnis dieser Förderung. Sie sind wiederum nötig, um die Erneuerung unserer Industriestruktur zu sichern. Die Schweiz rückt in den Innovationsrankings nur langsam vor, dabei ist Innovation doch so wichtig für die Schaffung und Erhaltung von hochwertigen Arbeitsplätzen! Uns geht es momentan nur so gut, weil es uns gelungen ist, eine wissenschaftsbasierte Wirtschaft aufzubauen. Die Beteiligung der Schweiz an grossen EU-Forschungsprogrammen ist wichtig für die Erhaltung der Qualität der Schweizer Wissenschaftsunternehmen. Von einem erneuten Ausschluss würde sich die Schweiz nur mit Mühe erholen. (…)

Bei einem Ja zur Initiative würde die Schweiz auf dem internationalen Parkett ganz ausgeschlossen werden. Sie würde bei internationalen Verhandlungen, sei es in Klimafragen oder im Bereich des Völkerrechts, an Einfluss verlieren. Vergessen wir nicht, dass Souveränität Mitentscheidung und nicht Enthaltung bedeutet.

Wenn man, so wie es die SVP tut, das Volk glauben machen will, die Ablehnung der Selbstbestimmungsinitiative würde die direkte Demokratie gefährden, ist das ein Zeichen einer mangelnden intellektuellen Ehrlichkeit. Es bleibt nur zu hoffen, dass sich das Schweizer Volk vom populistischen Eifer einiger unserer Politiker nicht irreführen lässt, denn es geht um nicht weniger als um die Zukunft unseres Landes.”

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Repräsentative Organisationen von Bildung und Forschung rufen eindringlich zur Ablehnung der “Selbstbestimmungsinitiative” auf:

Swissuniversities deutsch

Swissuniversities en français

Akademien der Wissenschaften Schweiz

Académies suisses de science

ETH-Rat

Conseil des EPF

 

 

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