Marcel Alexander Niggli, Strafrechtsprofessor an der Universität Freiburg i. Ue., wirft dem Bundesrat vor, beim Erlass von Strafnormen in der COVID-19-Verordnung den Unterschied zwischen Notrecht und Ausnahmezustand zu missachten.

Auszug aus dem Gastkommentar in der NZZ unter dem Titel “Corona-Krise: Warum der Bundesrat keine Strafen erlassen darf” (Link zum Artikel):

“Warum also sollte er (der Bundesrat in der COVID-19-Verordnung) keine Strafen erlassen dürfen? Nun, weil Strafen eben keine Massnahmen sind. Eine Strafe setzt nichts durch, das tut die Polizei. Eine Strafe erhebt einen Vorwurf, den Vorwurf nämlich, eine sozial bedeutsame Wertvorstellung missachtet zu haben. Sie ist eine Reaktion auf diese Verletzung und kommt deshalb immer erst danach. Sie dient also gerade nicht der Gefahrenabwehr (das tut die Polizei), sondern der Bekräftigung unserer Wertvorstellung. Für Wertvorstellungen aber ist in einem Rechtsstaat weder die Regierung noch die Verwaltung zuständig, sondern ausschliesslich der Souverän. Der aber hat sich mit dem Epidemiegesetz bereits geäussert.

Wer dem Bundesrat Strafkompetenz zuspricht, meint daher nicht Notrecht, also Massnahmen zur Gefahrenabwehr (sog. Polizeirecht), sondern den Ausnahmezustand, also die Abkehr vom Recht. Er verlässt den Boden der Verfassung.”

 

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