Zustimmung zum Menschenrechtsraum Europa stärken – Stakeholders-Strategie – Bessere Information über Urteile – Europarat ins Licht rücken

Wer noch Zweifel hatte, kann sie beiseite tun: „Die Delegierten der SVP haben heute (25.10.14) in Rothenthurm (SZ) einstimmig beschlossen, eine Volksinitiative ‚zur Umsetzung von Volksentscheiden – Schweizer Recht geht fremdem Recht vor‘ zu lancieren. Entscheide des Schweizer Volkes sollen somit wieder ernst genommen werden. Der Ausrede, ein gültig gefällter Volksentscheid könne wegen internationalem Recht nicht umgesetzt werden, will die SVP so einen Riegel schieben. Zu den höchsten Zielen der Eidgenossenschaft zählen die Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung des Landes.“

Originaldokumente finden Sie hier:

Mehr Informationen auf deutsch finden Sie hier.

Mehr Informationen auf französisch finden Sie hier.

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Wir haben etwa drei Jahre Zeit, für die Ablehnung dieser Initiative zu sorgen: Durch Stärkung einer positiven Beziehung der Schweizerinnen und Schweizer zum  Menschenrechtsraum Europa und zum Europarat, verbunden mit einer Stakeholder-Mobilisierung: Gruppen, für die ein Wegfall des europäischen Menschenrechtsschutzes besonders nachteilig wäre, müssen sich dessen bewusst werden und mit ihren Argumenten und ihrer Stimmkraft in die Auseinandersetzung eingreifen. 

Wichtig ist, dass künftig die Urteile des EGMR, die die Schweiz betreffen, viel rascher und besser erklärt werden. Dabei soll durchaus auch kritisch debattiert werden – jedes Gericht fällt kontroverse Urteile. 

Vier Beispiele für die Stakeholder-Strategie:

–       Artikel 8 EMRK schützt das „Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens“. Daran sind die Organisationen und Individuen interessiert, die sich für Kinderrechte und Familienschutz einsetzen. Immer wieder wird reflexartig skandalisiert, wenn Strassburg eine Ausweisung unter Berufung auf Artikel 8 als unzulässig erklärt. Wir haben 3 Jahre Zeit, mehr Verständnis für Artikel-8-Urteile aufzubauen.

–       Der EGMR fällt immer wieder Urteile zum Schutz der Medienfreiheit. Selbst Blocher profitierte kürzlich davon, als das Bundesgericht unter Bezugnahme auf die Strassburger Rechtsprechung befand, der Quellenschutz erstrecke sich auch auf Dokumente, die die Strafverfolger beim Informanten des quellenschutzberechtigten Medienschaffenden finden. Und selbst der Basler Zeitung unterlief es, in einer Reportage über einen Kriminalreporter ein Strassburger Urteil zu dessen Gunsten in positivem Licht erscheinen zu lassen. Auch Medienschaffende sind Stakeholders, wenn es um die Zugehörigkeit der Schweiz zum Menschenrechtsraum Europa geht.

–       Der EGMR fällt immer mehr Urteile zugunsten älterer und alter Menschen. Wir sind daran, dies zu dokumentieren. Die Seniorenorganisationen könnten Verbündete werden.

–       Die Asbestopfer sind typisch für Menschen, die ohne „Strassburg“ durch verfehlte oder überholte Formalnormen um ihr Recht gebracht würden. 

Die Initianten hingegen werden so viele Urteile “Strassburgs” wie möglich zu skandalisieren versuchen. Wir müssen uns dafür einsetzen, die Medien – auch den “Boulevard” – dafür zu interessieren, dass sie sich mit den Urteilsbegründungen und mit der Substanz der Fälle befassen, um nicht nur das Ergebnis zu verbreiten, sondern auch rechtliche Begründung, sachlichen und menschlichen Hintergrund.

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Mit gutem Beispiel vorangegangen ist Amnesty Schweiz:

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Schon sind es sieben Jahre her, seit Christoph Blocher – noch als Bundesrat – in seinen Bundesfeierreden den Angriff auf den Menschenrechtsraum Europa lostrat. Aber noch heute tut die (von einem Juristen geführte) AUNS, als ob sie nicht wüsste was der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ist und wer ihn trägt. Am 25.10.14  verbreitet sie folgende Stellungnahme:,

” (…) Heutzutage sind es zwar keine Landvögte mehr, welche die Schweiz kontrollieren wollen, sondern EU-Richter in Strassburg. (…)”

Die AUNS-Basis verdankt das Communiqué begeistert. Es lohnt sich, einen Blick in ihre Facebook-Kommentare zu werfen. Gleich der erste schreibt:  “Jetzt sind die Tabus gebrochen.”

Allerdings.

Dazu Stefan Schlegel im Facebook: “Die Nationalromantiker haben den Unterschied zwischen dem Europarat und der EU noch nicht verstanden oder spielen absichtlich mit der Verwechslung. In dem Freilichtmuseum, das sie in ihren romantischen Köpfen haben, ist auch sonst noch einiges durcheinander geraten, z.B. der Unterschied zwischen Unterdrückung und Kooperation.”

Dieses Unwissen – wohl teils vorgegeben, teils wirklich – weist uns auf eine Chance und eine Herausforderung hin: Lancieren wir das Thema Europarat: Als EMRK-Trägerschaft – und mehr! Schon in der Debatte über den Beitritt der Schweiz zum Europarat argumentierte Bundesrat Friedrich Traugott Wahlen, der Europarat werde für die Schweiz wichtig sein als Ersatz-Plattform, da unser Land nicht an der europäischen Integration teilnehme. Daran hat sich bis heute nichts geändert, wie auch der Bundesrat in seinem Aussenpolitischen Bericht erläutert. Im Schatten der Debatte über die Beziehungen der Schweiz zur EU droht der Europarat unterschätzt zu werden. Entwicklungen wie die wachsenden Spannungen zwischen der Schweiz und der EU, aber auch das Nichtzustandekommen eines EU-Beitritts der Türkei können den Europarat gegenüber der EU zusätzlich aufwerten. 

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Einmal mehr: Gemeinsame Richter sind keine fremden Richter.

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