Mit der Parole “Zensurgesetz NEIN” wird die Revision des Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes bekämpft, die am 9. Februar zur Volksabstimmung gelangt.

Durch diese Revision sollen künftig Menschen davor geschützt werden, wegen ihrer sexuellen Orientierung öffentlich bedrängt und benachteiligt zu werden. Zu diesem Zweck werden genau dieselben Handlungen verboten, die kraft Artikel 261bis des Strafgesetzbuches und Art. 171c Absatz 1 des Militärstrafgesetzes bezüglich Rasse, Ethnie oder Religion unter Strafe stehen:

  • Öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen zu Hass oder Diskriminierung aufrufen.
  • Öffentlich Ideologien verbreiten, die auf die systematische Herabsetzung oder Verleumdung gerichtet sind.
  • Mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen organisieren, fördern oder daran teilnehmen.
  • Öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebärden, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Personen in einer gegen die Menschenwürde verstossenden Weise herabsetzen oder diskriminieren oder aus einem dieser Gründe Völkermord oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit leugnen, gröblich verharmlosen oder zu rechtfertigen suchen.
  • Eine von ihm angebotene Leistung, die für die Allgemeinheit bestimmt ist, einer Person oder einer Gruppe von Personen verweigern.

Diese Übereinstimmung erleichtert die Beurteilung. Die Praxis der Gerichte zu diesen Tatbeständen ist bekannt (Link zu einer Sammlung der Rechtsfälle).

Hat diese Gerichtspraxis seit 1995 zu einer Einschränkung der Freiheit politischen Forderns und Argumentierens geführt? Ist es berechtigt, sie als “Zensur” zu bezeichnen?

Man kann sich hierzu seine Meinung anhand einiger politischer Auseinandersetzungen bilden:

Hatten wir den Eindruck, es sei den Initiantinnen und Initianten möglich gewesen, zwischen Unterschriftensammlung und Abstimmungswochenende mit ihren härtesten Argumenten zur Migrations-, Flüchtlings-, Asyl- und Kriminalpolitik ihren Abstimmungskampf zu führen? Dann kann aber von politischer Zensur nicht die Rede sein. Die obgenannten Schutzbestimmungen und die zu ihrer Anwendung entwickelte Gerichtspraxis haben die demokratische Auseinandersetzung nicht behindert.

Es ist bedauerlich, dass die Ausweitung dieser Schutznorm auf die sexuelle Orientierung nötig geworden ist. Aber politische Auseinandersetzungen zum Beispiel über Ehe gleichgeschlechtlicher Paare oder über die Adoption werden ebenso hart geführt werden können wie diejenige über die Minarett- oder die Ausschaffungsinitiative.

Wenn schliesslich ein Geistlicher – christlichen oder muslimischen  oder anderen Glaubens – die Vorlage bekämpft, weil er weiterhin predigen will, sein Gott verbiete die Homosexualität, muss er sich fragen lassen, ob er wirklich durch seine Predigt einen der Tatbestände der Strafnorm zu erfüllen gedenkt: Zu Hass oder Diskriminierung aufzurufen, systematisch herabzusetzen oder zu verleumden, Propaganda zu treiben, Menschen in einer gegen ihre Würde verstossenden Weise herabzusetzen oder zu diskriminieren. Vielleicht will ja auch sein Gott trotz allem nicht, dass seine Gläubigen gegen andere Menschen hetzen, sie kränken und in Angst versetzen.

Ulrich Gut.

Link zu Kathrin Alder: “Antirassismusstrafnorm: Was man ungestraft sagen darf – und was nicht”.

Link zu: “Der Staat soll bedrängte und bedrohte Gruppen seiner Bevölkerung schützen”.

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