Die Ständeräte Stefan Engler (Mitte, Graubünden) und Mathias Zopfi (Grüne, Glarus) haben je eine Motion unter dem Titel eingereicht: “Grundrechte und Föderalismus stärken und die Rechtsstaatlichkeit festigen – ein neuer Anlauf zur Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit” (Link zur Motion Engler, Link zur Motion Zopfi).

Nach dem Willen der Motionäre sollen die Räte den Bundesrat beauftragen, “einen Entwurf zu einem Erlass der Bundesversammlung mit dem Ziel vorzulegen, auf Verfassungs- und Gesetzesstufe die Voraussetzungen zur Einführung der Verfassungsgerichtsbarkeit gegenüber Bundesgesetzen und allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüssen zu schaffen”.

Aus der Begründung:

“(…) Die heutige Rechtslage führt für die Bürgerinnen und Bürger zum unbefriedigenden Ergebnis, dass nur die Grundrechte, die in der EMRK garantiert werden, vom Bundesgericht gegenüber dem Bundesgesetzgeber durchgesetzt werden können, nicht aber zahlreiche andere Grundrechte, die in der BV verbrieft sind, wie die Eigentumsrechte, die Wirtschaftsfreiheit, die Rechtsgleichheit, das Willkürverbot, die Wahrung von Treu und Glauben oder der Verhältnismässigkeit.

Die Aufhebung von Artikel 190 BV stärkt auch den Föderalismus, wenn die Kantone die Einhaltung der Zuständigkeitsordnung durch den Bundesgesetzgeber gerichtlich überprüfen lassen können, was ihnen unter dem geltenden Recht verwehrt ist.

Es liessen sich verschiedene Beispiele aus den vergangenen 10 Jahren dafür aufführen, dass in der Bundesversammlung selber die Verfassungsmässigkeit der (eigenen) Gesetzgebung Fragen aufwarf. Für viel Unverständnis in der Bevölkerung sorgte schliesslich der fehlende individuelle Rechtsschutz etwa im Zusammenhang mit den Massnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Epidemie.

Die konkrete Ausgestaltung der verlangten Verfassungsgerichtsbarkeit kann durchaus mit Rücksicht auf die Besonderheiten des schweizerischen Gesetzgebungsprozesses erfolgen. Sie könnte sich an folgenden Grundsätzen orientieren:

– nur Prüfung im Einzelfall (konkrete Normenkontrolle) von Bundesgesetzen und allgemeinverbindlichen Bundesbeschlüssen;

– diffuse Normenkontrolle;

– Prüfungsmasstab: verfassungsmässige Rechte der Bürgerinnen und Bürger bzw. das Völkerrecht sowie -auf entsprechende Rüge eines Kantons hin- die verfassungsrechtliche Kompetenzordnung;

– Wirkung des Urteils: gegebenenfalls Nichtanwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung im fraglichen Fall. Die fragliche Vorschrift bleibt jedoch formell in Kraft.”

 

 

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