Über die Konzernverantwortungsinitiative werden rechtlich unhaltbare Behauptungen verbreitet. Vier namhafte Vertreter der betroffenen Rechtsgebiete treten ihnen in einem gemeinsamen Beitrag in der NZZ vom 18. November 2020 entgegen: Alexander Brunner, Oberrichter a. D., Handelsgericht Zürich; Markus Schefer, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Basel; Roland von Büren, emeritierter Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern, Rechtsanwalt und ehemaliger Präsident der Wettbewerbskommission (Weko); Franz Werro, Professor für Obligationenrecht an der Universität Freiburg.

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Auszug:

“(…) Der Initiativtext verpflichtet den Bundesgesetzgeber, bei der Umsetzung auf die Bedürfnisse kleiner und mittlerer Unternehmen Rücksicht zu nehmen, bei denen das Risiko von Menschenrechtsverletzungen gering ist. Diese Regelung lässt den eidgenössischen Räten einen grossen Entscheidungsspielraum. Der Bundesrat selber schlägt in seiner Botschaft die naheliegende Lösung vor, KMU mittels bewährter Schwellenwerte generell auszunehmen und nur wenige Hochrisiko-KMU zusammen mit den Grossunternehmen der Regelung zu unterstellen. (…)

In seiner Botschaft hält der Bundesrat korrekt fest, die Konzernhaftung, wie sie die Initiative vorschlage, lehne sich an die bestehende Geschäftsherrenhaftung im Obligationenrecht an. Der vom Nationalrat entwickelte frühere Gegenvorschlag übernahm diesen Ansatz. Das Bundesamt für Justiz kam 2018 zum Schluss, diese Haftungsbestimmung sei lediglich eine Konkretisierung der geltenden Regelung. Die Charakterisierung der Haftung als «einzigartig» und für die Schweizer Rechtsordnung «untypisch» entbehrt damit der juristischen Grundlage.

Der Boden ernsthafter rechtlicher Analyse wird mit der Feststellung verlassen, die Initiative enthalte eine Beweislastumkehr. Der Schaden, die Kausalität, die Widerrechtlichkeit und das Kontrollverhältnis müssen auch unter der Initiative vom Kläger bewiesen werden. Dass sich das beklagte Unternehmen durch Nachweis angemessener Sorgfalt von seiner Haftung befreien kann, entspricht einer Befreiungsmöglichkeit und nicht einer Beweislastumkehr. Besonders irritierend sind die diesbezüglichen Darlegungen der Justizministerin: «Eigentlich muss mir der Staat beweisen, dass ich einen Schaden verursacht habe, und nicht umgekehrt, dass ich beweisen muss, dass ich unschuldig bin.» Diese Verwechslung von Straf- und Zivilrecht verunmöglicht eine nüchterne rechtliche Einordnung der Haftungsregelungen der Initiative. (…)”

 

 

 

 

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