Über Meinungsfreiheit und Bestrafung von Rassendiskriminierung

Markus Felber, vormals Bundesgerichtskorrespondent der NZZ, in seiner Kolumne “Alles was Recht ist” (“NZZ am Sonntag” 8.2.15, S.23), unter dem Titel “Gesinnungen sind absolut frei”:

“(…) Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte anerkennt seit langem ein umfassendes Recht, sich frei zu äussern. Nicht nur Meinungen im engeren intellektuellen Sinn sind frei, sondern auch künstlerische Ergüsse jeglicher Art, bitterböse Polemik oder schlichter Nonsens. Allerdings gilt auch diese Äusserungsfreiheit nicht absolut. Untersagt werden darf indes nicht eine Idee oder Gesinnung, sondern lediglich eine sich daraus ergebende schädliche Aktivität.

Zu weit geht ein Verbot der Gotteslästerung oder anderer religionsfeindlicher Bekundungen, denn es ist nicht Sache des aufgeklärten Rechtsstaats, himmlische Wesen vor bösen irdischen Zungen zu schützen. (…)

Einschränkungen der Freiheit zum Schutz vor Rassismus sind zulässig, soweit sie für ein geordnetes gesellschaftliches Zusammenleben erforderlich sind. Die einschlägigen Normen dürfen aber nicht als Kodifizierung der Gutmenschlichkeit ausgestaltet werden, die rassistisches Gedankengut unter Strafe stellt. Selbst eine dunkelbraune Gesinnung darf nicht als solche verboten werden, denn das unterscheidet Recht von Religion: Für die Kirche ist bereits der begehrliche Blick auf die schöne Frau des Nachbarn Sünde. Die liberale Rechtsordnung dagegen toleriert auch gesetzes- oder verfassungswidrige Ideologien, solange sie nicht zumindest ansatzweise in rechtswidrige Taten umgesetzt werden.

Das muss zur Kenntnis nehmen, wer sich enttäuscht fühlt, wenn die Justiz die Rassismusstrafnorm mit Umsicht anwendet und nach sorgfältiger Abwägung trotz einer allfälligen rassistischen Gesinnung des Täters scheinbar zu dessen Gunsten, aber in Wahrheit zugunsten der Freiheit urteilt. Es ist rechtlich erlaubt, andersfarbige oder andersgläubige Menschen nicht zu mögen, solange es dabei bleibt. Einer solchen Gesinnung ist mit Argumenten zu begegnen und nicht mit Verboten. (…)”

Der Wortlaut des Artikels 261bis des Strafgesetzbuches gegen Rassendiskriminierung entspricht dieser Grundhaltung. 

Und in der Tat ist es auch zu den von Markus Ferber angesprochenen Enttäuschungen gekommen: Das Bundesgerichtsurteil, dass es nicht strafbar sei, auf dem Rütli den Hitlergruss zu machen, ist ein Beispiel für die Zurückhaltung der Justiz. Es scheint die Maxime zu gelten: Im Grenzfall Straflosigkeit.

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