Erstveröffentlichung am 15.10.2018 auf der Facebookseite von Pierre Rom*, hier übernommen mit seiner freundlichen Genehmigung.

Über die SBI (Selbstbestimmungsinitiative, Abstimmung vom 25. November) wird heftig diskutiert, Befürworter und Gegner versuchen sich mit ihren Argumenten gegenseitig zu überzeugen.

Es geht aber nicht darum zu streiten wer die Wahrheit – was man darunter auch versteht – kennt, sondern zu verstehen, was die einzelnen Artikel der Initiative (die nach einer Annahme in der Bundesverfassung stehen) für unser Land und ihrer Politik bedeuten würden. Eine Annahme der Initiative hätte vielfache Auswirkungen, die in ihrer ganzen Bedeutung heute, langfristig gesehen, kaum zu überblicken sind.

Die Initianten versuchen auf ihre Plakate die Komplexität der Materie auf einen Satz zu reduzieren: «Ja zur direkten Demokratie, ja zur Selbstbestimmung». Doch die Schweiz ist seit 1848 eine direkte Demokratie und ihre Bürgerinnen und Bürger können (wenn sie wollen!) seit jeher selbst bestimmen, das muss mit einer Initiative nicht neu eingeführt werden. Und wir wissen alle, dass unsere Bundesverfassung nicht in Stein gemeisselt ist, sondern jederzeit mit einer Initiative geändert werden kann, was auch immer wieder geschieht. Sie kann also nicht Garant sein für die Einhaltung der Menschenrechte. Dies ist ein zweiter Grund zur Ablehnung dieser gefährlichen Initiative, doch es stecken noch weitere, nicht immer sichtbare Hintergedanken dahinter.

Der Stellenwert und die Möglichkeiten der Schweiz in dieser Welt werden allzu oft überschätzt. Dies ist die Folge der jahrzehntelangen Propaganda des «Sonderfalles der Schweiz». Nicht nur durch ihre Aussagen versuchen national-konservative Politiker immer wieder die Schweiz politisch ins Abseits zu führen, sondern auch mittels Initiativen. Und die SBI ist eine solche, eine Annahme würde die Schweiz politisch noch mehr isolieren, und die Ausserkraftsetzung des EMRK würde den Einwohnerinnen und Einwohner unseres Landes die einzige Möglichkeit, sich vor menschenrechtswidrigen Gesetzesbestimmungen zu schützen, wegnehmen.

Die Schweiz ist – ob sie will oder nicht – in der Entwicklung in Europa und auf dieser Welt eingebunden, sie kann sich davon nicht befreien, auch nicht mit dem Hinweis auf unsere direkte Demokratie. Die Schweiz ist kein «Sonderfall», sie gehört zur Völkergemeinschaft mit all ihren Pflichten und Rechten, und das verpflichtet. Unsere Zukunft – und damit diejenige meiner Enkel und ihrer Kinder – liegt, auf welcher Weise auch immer, in und mit Europa.

Das ist der Grund, warum ich ein überzeugtes Nein einlegen werde.

*Pierre Rom (geboren 1924), Ingenieur, war Geschäftsführer der FDP des Kantons Bern.

 

 

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