Robert Nef, langjähriger Leiter des “Liberalen Instituts” in Zürich und designierter Träger des “Liberal Award” des Jungfreisinnigen, legt in der NZZ (26.10.17, S. 9) ein Wort für die “Selbstbestimmungsinitiative” der SVP ein. Auszug:

“Die Selbstbestimmungsinitiative thematisiert jetzt genau diese Lücke und müsste eigentlich – unabhängig von einer Befürwortung oder Ablehnung – aus demokratisch-rechtsstaatlicher Sicht als Gelegenheit zur teilweisen Klärung einer offenen Grundsatzfrage generell begrüsst werden. Die klassischen Menschenrechte sind in der geltenden Verfassung bereits garantiert. Selbst wenn die Initiative wegen der unzutreffenden Behauptung, sie wende sich generell gegen die Menschenrechte, keine Zustimmung findet, wäre die Frage nach einem vorbehaltlosen Vorrang des Völkerrechts nicht beantwortet. Zu dieser entscheidenden Frage eines grundsätzlichen Vorranges wäre nämlich eine entsprechende Verfassungsnorm vom Verfassungsgeber explizit zu beschliessen.”

Nef richtet damit die Aufmerksamkeit auf einen wichtigen Punkt: Tatsächlich stimmen die Rechte, die die Europäische  Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert, weitgehend mit den Grundrechten der schweizerischen Bundesverfassung und wohl noch vieler europäischer Verfassungen überein. Worum es bei dieser Abstimmung wirklich geht, ist Rechtsschutz: Der Europarat, dem die Schweiz angehört, hat ein Menschenrechtsgericht geschaffen, bei dem Individuen gegen Menschenrechtsverletzungen klagen können. Es geht ganz konkret darum, ob die Schweizerinnen und Schweizer darauf verzichten wollen, dass Urteile dieses Gerichts in der Schweiz gelten und ihnen Schutz gewähren.

Der Wegfall dieser Schutzwirkung wäre in der Schweiz gravierender als in anderen Ländern, weil es in der Schweiz keine Verfassungsgerichtsbarkeit über Bundesgesetze gibt. Das heisst: Wenn in einem schweizerischen Bundesgesetz ein Grundrecht der Bundesverfassung verletzt wird, muss das Bundesgericht diese Gesetzesbestimmung trotzdem anwenden. Keine andere Verfassung im rechtsstaatlich-demokratischen Teil Europas ist so ungeschützt wie die schweizerische.

Die SVP versucht nun auch diese Tatsache zu einem Argument für ihre Initiative umzudrehen: Die Bindung des Bundesgerichts an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte sei eine Umgehung des schweizerischen Grundsatzentscheids, keine Verfassungsgerichtsbarkeit zu wollen. Damit müsse jetzt Schluss gemacht werden.

Es geht bei der SBI nicht nur um Menschenrechte, sondern um viele andere internationale Vereinbarungen, die die Schweiz eingegangen ist. Darunter sind höchst wirtschaftsrelevante, weshalb der Wirtschaftsdachverband soeben die Ablehnung der SBI empfohlen hat. Aber es wird eine entscheidende Rolle spielen, ob die Schweizerinnen und Schweizer ihren Rechtsschutz abbauen wollen.

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