Bundesrätin Simonetta Sommaruga drehe sich beim Wort Rahmenabkommen “genervt ab”, schreibt Denis von Burg in der “SonntagsZeitung” vom 19.8.18 (S. 19): “Sie fürchtet, es könnte Argumente für die Selbstbestimmungsinitiative der SVP liefern, die sie bald bekämpfen muss.”

Dafür hat sie allen Grund. Denn das Rahmenabkommen ist eine der drei Stossrichtungen der Selbstbestimmungsinitiative, nebst dem europäischen Menschenrechtsschutz und einer Stellungnahme der Zweiten öffentlich-rechtlichen Abteilung des Bundesgerichts  – kein Entscheid des Bundesgerichts, wie im untenstehenden Zitat behauptet* – zum Verhältnis zwischen Verfassungsrecht und Völkerrecht.

Alt-Botschafter Paul Widmer legt diese drei Stossrichtungen in seiner Gastkolumne in der “NZZ am Sonntag” dar, in der er nun (für seine LeserInnen nicht überraschend) die Annahme der SBI empfiehlt (19.8.18, S. 16).

Auszug:

“Endlich will eine Partei das Verhältnis von Landesrecht und Völkerrecht präzisieren, will der schleichenden Entmachtung der Stimmbürger einen Riegel schieben. Das ist bitter nötig. Denn unsere Demokratie wird von drei Seiten her ausgehöhlt:

Erstens dehnen die Richter den Geltungsbereich von internationalen Verträgen immer weiter aus. Nehmen wir die Europäische Menschenrechtskonvention. (…) Man nennt das dynamische Rechtsprechung

Die zweite Gefahr droht von einem Rahmenabkommen. Die Schweiz müsste so künftiges EU-Recht automatisch übernehmen und dessen Auslegung durch den Gerichtshof akzeptieren. Der Stimmbürger hätte dazu nichts mehr zu sagen.

Das dritte Problem ist hausgemacht. Das Bundesgericht entschied 2012, die Rechtsprechung des Strassburger Gerichts generell höher zu gewichten als die Bundesverfassung. Man stelle sich vor: Vier Bundesrichter beschliessen, die Verfassung nicht anzuwenden. Das ist unerhört. Solche grundsätzlichen Entscheide stehen dem Volk und dem Parlament zu. Die Bundesrichter haben die Verfassung auszulegen, nicht abzuändern.

Nun haben wir also eine Vorlage. Sie möchte den Zustand wieder herstellen, wie er vor dem Bundesgerichtsentscheid von 2012 vorherrschte. Aber sie weist mit einer rückwirkenden Klausel Schwachstellen auf. Diese hätte man mit einem Gegenentwurf eliminieren können. Leider boten Bundesrat und Parlament dazu nicht Hand. (…)”

*Siehe hierzu Walter Haller, zum Beispiel hier.

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