Im Winterthurer „Landboten“ und weiteren Zürcher Regionalzeitungen erschien am Montag, 26. November 2012 ein Interview von Karin Landolt mit Gret Haller unter dem Titel „Export von Menschenrechten geht nicht“. Gret Haller veröffentliche kürzlich das Buch „Menschenrechte ohne Demokratie?“

Auszug aus dem Interview:

„(…) Sie schreiben, dass der Westen nicht mit seinen Vorstellungen von Menschenrechten intervenieren darf. Die Gesellschaft selbst müsse sie entwickeln.

Gret Haller: Ja, und zwar in einem demokratischen Prozess. Natürlich gibt es die internationalen Verträge, die Menschenrechtskonventionen, die auch von den (vom arabischen Frühling) betroffenen arabischen Staaten unterzeichnet wurden. Aber damit Menschenrechte auch wirklich verankert sind, dürfen sie nicht übergestülpt, sondern müssen ausgehandelt werden. Immer wieder neu. Und genau das passiert nun im arabischen Ram. Es macht keinen Sinn, wenn wir diesen Ländern die Rechte diktieren. In dieser Hinsicht hat der Westen seit dem Kalten Krieg unglaublich viele Fehler gemacht.

Sie meinen die USA, welche die Menschenrechte als Vorwand für Militärinterventionen missbrauchten?

Gret Haller: Das hat den Menschenrechten sehr geschadet. Am schlimmsten war der Angriff auf den Irak. Nachdem das Argument der USA und der Briten, der Irak habe Atomwaffen, als Lüge entlarvt worden war, brachte man plötzlich das Argument der Menschenrechte vor.

(…) Der Islam wandert in Europa ein. China wird zur Weltmachtg. Menschenrechte stehen da nicht zuoberst auf der Prioritätenliste. Macht ihnen das Sorgen?

Gret Haller: Wir müssen immer bedenken, bevor wir über andere Kulturen oder Nationen urteilen, was bei uns im Mittelalter los war. Wir verurteilen den Islam. Doch wie viele ‚Ketzer‘ haben die Christen auf dem Gewissen? Der Islam ist 600 Jahre jünger als dass Christentum, also sollten wir immer mit Europa vor 600 Jahren vergleichen. Die islamischen Länder, und übrigens auch China, sind auf einem guten Weg. Denn der Mensch hat ein Bedürfnis nach Freiheit in sich. Manchmal ist die Zeit reif, dafür zu kämpfen, manchmal nicht. Doch der Freiheitsdrang flammt immer wieder auf.

Wie sieht es aus mit den Menschenrechten in der Schweiz?

Gret Haller: Die Schweiz hat ein so ausgeprägtes demokratisches System, dass es sogar Unfälle gibt. Etwa die Zustimmung zur Minarettinitiative. Noch ernsthafter ist jene zur Ausschaffungsinitiative, die nicht nur Symbolcharakter hat. Aber wir haben ja ein Mehrstufensystem dank internationaler Menschenrechtsverträge. Da kann ein einzelnes Land nicht einfach alles selber bestimmen und die Menschenrechte missachten.

Bereits gibt es die Umsetzungsinitiative, die darauf drängt, die Ausschaffungsinitiative schneller anzuwenden.

Gret Haller: Und parallel dazu gibt es Vorstösse im Parlament, die erreichen wollen, dass menschenrechtswidrige Vorlagen nicht mehr vors Volk kommen. So läuft der demokratische Prozess, und das ist gut.“ (…)

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