von Dr. iur. Dominik Elser, Geschäftsleiter des Vereins «Unser Recht»

In früheren Beiträgen (hier und hier) haben wir an dieser Stelle die rechtliche Ausgangslage für eine Impfpflicht gegen Covid-19 untersucht. Auf die Ebene der konkreten Regelungsfragen ist die Diskussion in der Schweiz gar nie gekommen – sie ist schon bei den Grundsatzfragen festgefahren und wieder untergegangen. Die Entwicklungen in Österreich und Deutschland bieten aber Anlass, die einzelnen Rechtsfragen einer Impfpflicht genauer zu beleuchten. In Österreich ist auf den 5. Februar 2022 eine allgemeine Impfpflicht gegen Covid-19 in Kraft getreten. In Deutschland soll ab dem 16. März 2022 eine sogenannte «einrichtungsbezogene Impfpflicht» für Personen in Gesundheits- und Pflegeberufen gelten. Derweil zieht sich die parlamentarische Debatte im Bundestag über eine allgemeine Impfpflicht noch dahin.

Für wen gilt die Pflicht?

Zunächst muss eine gesetzliche Grundlage klären, für wen die Impfpflicht gilt. Die österreichische Impfpflicht gilt für alle Personen über 18 Jahren mit Wohnsitz im Land. Generell ausgenommen sind Schwangere und Personen, «die nicht ohne Gefahr für Leben oder Gesundheit … geimpft werden können» oder «bei denen aus medizinischen Gründen keine erfolgreiche Immunantwort auf eine Impfung zu erwarten ist». Ausserdem sind Genesene für 180 Tage von der Impfpflicht befreit.

Die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Deutschland gilt für Personen, die in einer abschliessend aufgezählten Liste von Einrichtungen des Gesundheitswesens tätig sind. 

Im Bezug auf die allgemeine Impfpflicht wird über die Geltung ab 18 Jahren wie auch erst ab 50 Jahren diskutiert.

Wie wird die Pflicht kontrolliert?

Die gesamte Bevölkerung (ab einem gewissen Alter) zum Impfen zu verpflichten ist das eine, diese Pflicht zu kontrollieren das andere. Das österreichische Covid-19-Impfpflichtgesetz löst diese komplizierte Frage mit einer dreiphasigen Regelung:

In einer ersten Phase haben alle betroffenen Personen bis zum 15. März 2022 Zeit, sich impfen zu lassen oder einen Ausnahmegrund anzumelden.

In der zweiten Phase wird die Einhaltung der Impfpflicht von der Polizei im öffentlichen Raum kontrolliert, zum Beispiel bei Verkehrskontrollen. Wer ungeimpft ist, begeht eine Verwaltungsübertretung. Verstösse werden bei der Bezirksverwaltungsbehörde angezeigt. Wird ein Impfnachweis (oder ein Nachweis über einen Ausnahmegrund) eingereicht, wird das Verfahren eingestellt, andernfalls eine Busse verhängt.

Die polizeilichen Kontrollen sind als Übergangslösung anzusehen, bis die technische Infrastruktur für das eigentliche Kontrollregime bereitsteht: Am Ende wird die Impfpflicht mit Erinnerungsstichtagen und Impfstichtagen kontrolliert – gestützt auf einen «automationsunterstützten Datenabgleich». Für diesen Datenabgleich werden drei bestehende Datenbanken miteinander verknüpft: das Melderegister (für den Wohnsitz), das zentrale Impfregister und das epidemiologische Meldesystem. An den Erinnerungsstichtagen erhalten alle, die gemäss dem zentralen Register noch nicht geimpft sind, ein Erinnerungsschreiben per Post. Frühestens einen Monat später können Impfstichtage vorgesehen sein. Wer bis dann die Impfung nicht nachgeholt hat, wird gebüsst. Solche Impfstichtage können maximal zweimal jährlich vorgesehen werden. In der zweiten Phase können maximal vier Strafen pro Kalenderjahr verfügt werden.

Auch in Deutschland wurde postuliert, nur mit einem zentralen Impfregister könne der Impfstatus von derart vielen Personen zeitnah kontrolliert werden.

Was droht denen, die die Pflicht nicht befolgen?

In Österreich sind Geldstrafen bis € 600 vorgesehen. Wer gegen die Strafanzeige Einsprache erhebt, wird in ein ordentliches Verfahren überführt, bei dem das Strafmass bei maximal € 3’600 liegt. Bei der Bemessung der Geldstrafen werden die Einkommens- und Vermögensverhältnisse berücksichtigt.

Ärztinnen und Ärzten, die falsche Bestätigungen über Ausnahmegründe herausgeben, drohen mit Geldstrafen bis € 7’200.

Die im sonstigen Strafrecht bekannte Ersatzfreiheitsstrafe wird ausdrücklich ausgeschlossen. Jeglicher Verwaltungszwang zur Vollstreckung der Strafe ist ebenfalls ausgeschlossen.

Die Bussen kommen dem jeweiligen Landesgesundheitsfonds zugute.

Vorlaufszeit und begleitende Beratung

Das österreichische Gesetz sieht eine erste Phase vor, in der die Impfpflicht noch nicht kontrolliert wird. Die Bevölkerung erhält eine Art Vorlaufszeit für den freiwilligen Vollzug. 

In die deutsche Debatte wurde ein Vorstoss eingebracht mit einer circa fünfmonatigen Informationsphase: Alle Erwachsenen mit Wohnsitz in Deutschland sollen von ihrer Krankenkasse persönlich kontaktiert und über Beratungs- und Impfmöglichkeiten informiert werden. Diese Regelung geht wohl davon aus, dass die zu tiefe Impfquote zumindest zum Teil durch mangelnde Aufklärung erklären lässt. Ausserdem soll die persönliche Kontaktaufnahme einige Zögernde noch umstimmen – im Sinne eines staatlichen Nudging.

Schlussfolgerungen für die Diskussion in der Schweiz

Die österreichische Regelung und die deutsche Diskussion zeigen, dass eine Impfpflicht keine simple Angelegenheit ist, es aber durchaus pragmatische Lösungen gibt. In beiden Ländern setzt die Kontrolle der Pflicht massgeblich auf bereits bestehende zentrale Impfregister – in der Schweiz müsste der Datenabgleich bezüglich des Impfstatus erst aufgebaut oder auf anderem Weg bestritten werden. Auch trotzt dieser praktischen Schwierigkeit erscheint das Argument, eine Impfpflicht – wenn man sie den wolle – sei ohnehin nicht umsetzbar, in diesem Licht als wenig stichhaltige Ausrede.

 

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Bild: Marco Verch Professional Photographer, Flickr, Lizenz CC BY 2.0.

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