Dr. Benedikt von Tscharner (Genf), alt Botschafter:

Unter den Argumenten, die im Verlauf der Kampagne gegen die SVP-Initiative an prominenter Stelle aufzuführen sind, gehört m.E. die Schwächung der internationalen Stellung und der Glaubwürdigkeit der Schweiz. Kleine und mittlere Staaten sind stärker auf das Völkerrecht angewiesen als Grossmächte. Wohl kann argumentiert werden, dass eine völkerrechtliche Verpflichtung der Schweiz durch eine ihr widersprechende landesrechtliche Bestimmung nicht automatisch gegenstandslos wird, falls der Vorrang des Landesrechts in die Verfassung aufgeommen wird. Es braucht da in vielen Fällen zudem eine formelle Kündigung, ja möglicherweise komplizierte Verhandlungen (kompensatorische Forderungen der Gegenseite?). Doch die Vertragstreue der Schweiz wid dadurch dauerhaft in Frage gestellt.

Falls beispielsweise die Treue der Schweiz zur Europäischen Menschenrechtskonvention auf diese Weise in Frage gestellt wird, so wird dadurch auch der Kampf für die Menschenrechte in Ländern geschwächt, die weit häufiger als die Schweiz die Strassburger Regeln missachten (Russland, Türkei, usf.). Auch das liegt nicht im Interesse der Schweiz; sie erscheint damit in den Augen ihrer Partner als unsolidarisch, stellt sich in den Widerspruch zu Grundsätzen, die sie selber als prioritär bezeichnet – ein Schuss in den eigenen Fuss!

 

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