Wird einer Patientin oder einem Patienten eine intensivmedizinische Behandlung verweigert, kann sie oder er, oder können die Angehörigen, unter Umständen Beschwerde wegen Verletzung des Rechts auf Leben nach Artikel 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) erheben.

Eine Beschränkung eines durch die EMRK geschützten Rechts muss auf einer gesetzlichen Grundlage beruhen. Eine summarische Abklärung ergibt, dass die Triage-Richtlinien der Schweizerischen Akademie für Medizinische Wissenschaft und der Schweizerischen Gesellschaft für Intensivmedizin als Surrogat eines Gesetzes in Frage kommt, sofern sie auf breiter Basis angewandt wird. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) würde bei der Beurteilung einer Beschwerde die entsprechende Bestimmung der Richtlinien und deren Anwendung im vorliegenden Fall prüfen. Allerdings würde er keine Ermessenskontrolle ausüben, sondern eine Beschwerde nur bei klarer Verletzung von Artikel 2 EMRK gutheissen.

Für das Beschwerdeverfahren wäre unerheblich, ob die Person, deren intensivmedizinische Behandlung abgelehnt wurde, zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung noch lebte. Leider würde ihr eine Gutheissung der Beschwerde zwar wohl nichts mehr nützen. Aber ein EMRK-Verfahren könnte für künftige Fälle klärend wirken, was auch Ärztinnen und Ärzten, die solche schweren Entscheide fällen müssen, zu Nutzen sein könnte.

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