Zuschrift an die NZZ.

Walter Haller in der NZZ vom 30. Oktober 2014, S. 22, unter dem Titel „Eine Lanze für die EMRK“:

„Die von der SVP lancierte Volksinitiative, die vorgibt, das Verhältnis von Bundesrecht und Völkerrecht klarzustellen, richtet sich im Kern gegen die Europäische Menschenrechtskonvention. Allerdings lässt sich das aus dem verklausulierten, mit Hilfe eine „Professörleins“ (in der Ausdrucksweise Blochers) redigierten Initiativtext nicht leicht erkennen. Zu Recht mahnt Markus Hofmann in der NZZ (27.10.14), die EMRK sei eine Errungenschaft, die nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden dürfe. Sie wurde von allen 47 Mitgliedstaaten des Europarates ratifiziert und garantiert einen Minimalstandard des Menschenrechtsschutzes, über dessen Umsetzung der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg (EGMR) wacht.

Leider ist die Rechtsprechung des EGMR in den letzten Jahren zu einem Tummelfeld für Populisten geworden, die gegen vereinzelte Urteile polemisieren, meist ohne sich mit dem zugrunde liegenden Sachverhalt und der Urteilsbegründung näher zu befassen. Die Strassburger Rechtsprechung, die in die Praxis des Bundesgerichts integriert und sogar in der neuen Bundesverfassung berücksichtigt wurde, hat wesentlich zur Konsolidierung und zu einem behutsamen Ausbau der Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger beigetragen. Zum Beispiel schützt sie die Medienschaffenden davor, ihre Quellen im Rahmen von Beweisabnahmen im Strafverfahren preisgeben zu müssen, was kürzlich Christoph Blocher zugutekam. Zutreffend bemerkt Hofmann, die in der EMRK verankerten Werte seien auch die Werte der Schweiz.

Besonders demagogisch ist, wenn bei Frontalangriffen gegen den EGMR das Feindbild des „fremden Richters“ heraufbeschworen wird. Wie der Schweizer Historiker Thomas Maissen in der NZZ am Sonntag (10.11.13) aufzeigte, diente die Ablehnung fremder Richter im Jahr 1291 vorab den Interessen der lokalen Eliten in den Alpentälern, die als Richter Herrschaft in eigener Sache ausübten. Verschwiegen wird jeweils, dass am EGMR in allen Fällen, welche die Schweiz betreffen, die Richterin oder der Richter aus der Schweiz von Amtes wegen mitwirken muss. In den Jahren 1998 bis 2007 präsidierte sogar ein Schweizer, Luzius Wildhaber, den EGMR.“

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