Wie sorgt ein Staat grundrechtskonform und verhältnismässig für Sicherheit?

Von Ulrich Gut

Alle demokratischen Rechtsstaaten stehen vor der Aufgabe, sich gegen wachsende Bedrohungen der Sicherheit zu wappnen, aber dabei Grundrechte und Verhältnismässigkeit zu wahren. In Deutschland ist diesbezüglich ein Verfahren im Gang, das Aufmerksamkeit verdient.

Der Koalitionsvertrag 2021-2025 der Regierung sieht eine «Freiheitskommission», eine «Überwachungsgesamtrechnung» und weitere Massnahmen «für eine vorausschauende, evidenzbasierte und grundrechtsorientierte Sicherheits- und Kriminalpolitik» vor. Die Freiheitskommission solle nach den Eckpunkten, die das Bundesministerium von Marco Buschmann (FDP) ausgearbeitet habe, «insbesondere Gesetze zur Arbeit von Polizei, Zoll und Geheimdiensten begutachten – und zwar noch bevor diese ins Kabinett gelangen», berichtete der «Spiegel» in seiner Ausgabe vom 23.9.2023: «Bei ihrer Prüfung soll die Kommission ‘auf eine grundrechtsfreundliche und verhältnismässige Ausgestaltung der Eingriffsbefugnisse’ achten und zudem in den Blick nehmen, wie sie sich ‘in Hinblick auf Demokratie und Freiheit’ in die bestehenden Gesetze einfügen. Die Sicherheitsbehörden sollen verpflichtet werden, dem Gremium Informationen zur Verfügung zu stellen. Bei Vorhaben aus anderen Bereichen soll die Kommission eine Stellungnahme abgeben können, wenn diese ‘erhebliche Grundrechtsbeschränkungen’ beinhalten.»

Bereits am 27.10.2020 hatte die FDP-Fraktion des Bundestags einen Antrag «Freiheit und Sicherheit schützen – Für eine Überwachungsgesamtrechnung statt weiterer Einschränkungen der Bürgerrechte» eingebracht.

Zum Stand der Realisierung von «Freiheitskommission» und «Überwachungsgesamtrechnung» vernahmen wir Ende Dezember 2023 von offizieller deutscher Seite: Für das Vorhaben der Überwachungsgesamtrechnung seien die Bundesministerien des Innern und für Heimat (BMI) und der Justiz (BMJ) federführend. Es befinde sich derzeit im Vergabeverfahren. Die Durchführung der Überwachungsgesamtrechnung einschließlich der wissenschaftlichen Evaluation der Überwachungsbefugnisse sei am 22. Mai 2023 europaweit ausgeschrieben worden (Ausschreibung des Beschaffungsamtes des BMI / B 12.31-1088/23/VV:1). BMJ-Staatssekretär Benjamin Strasser beantwortete eine schriftliche Frage des Mitglieds des Bundestags Dr. Günter Krings (CDU) vom 21.11.23 zu diesem Thema wie folgt: „Die Abstimmung innerhalb der Bundesregierung zur konkreten Umsetzung der im Koalitionsvertrag vereinbarten Freiheitkommission ist noch nicht abgeschlossen. Dies betrifft auch die Fragen, wie die Freiheitskommission zusammengesetzt sein wird, nach welchen Kriterien die Mitglieder ausgewählt werden und inwieweit die Opposition bei der Auswahl der Mitglieder beteiligt wird.“

Soweit die von offizieller Seite erhaltenen Informationen. Der „Spiegel“ hatte in seinem oben zitierten Artikel darauf hingewiesen, dass das von Nancy Faeser (SPD) geführte Bundesinnenministerium die Pläne skeptisch sehe und nur eine beratende Funktion der Freiheitskommission bejahe, eine „formale Integration in den Gesetzgebungsprozess“ jedoch ablehne. Affaire à suivre.

 

Dr. iur. Ulrich Gut ist Präsident von UNSER RECHT

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