Am 2. Februar stellten wir in einem Beitrag zur Abweisung zahlreicher Beschwerden aus der Türkei an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Frage: “Wie lange kann Strassburg verlangen, dass der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft wird?”

Am 20. März gab der EGMR nun zwei türkischen Journalisten Recht, welche gegen ihre Inhaftierung Beschwerde geführt hatten. Das Urteil wirft erneut ein Licht auf das Rückzugsgefecht um die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei.

Aus der Urteilsbesprechung von Markus Sehl in “Legal Tribune Online”:

“Der Fall der beiden Journalisten hatte in der Türkei zu einem offenen Kräftemessen zwischen dem Verfassungsgericht und dem Istanbuler Instanzgericht geführt. Das Gericht hatte sich geweigert, die Journalisten freizulassen, obwohl das Verfassungsgericht zuvor entschieden hatte, dass die andauernde Untersuchungshaft für die beiden Männer deren Recht auf Freiheit und Sicherheit sowie die Meinungs- und Pressefreiheit verletze.

Nun hat der EGMR dem türkischen Verfassungsgericht Schützenhilfe aus Straßburg geschickt. In der Begründung seines Urteils führte es aus: “Eine letzte und bindende Entscheidung des Verfassungsgerichts durch ein anderes Gericht in Frage zu stellen, verstößt gegen fundamentale Prinzipien von Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit, beide werden vom Schutz des Art. 5 der EMRK umfasst.” Es handle sich dabei um “Eckpfeiler jeder Garantie gegen Willkür”.

Der EGMR drückt deutlich seine Besorgnis darüber aus, dass ein Instanzgericht die Entscheidung des Verfassungsgerichts offen missachte. Eine Entwicklung, die auch in anderen Staaten der Gemeinschaft ernsthaft jede Rechtsstaatlichkeit im Kern bedrohen würde.”

Link zum NZZ-Bericht.

 

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